Bad Driburg. Am vergangenen Dienstag erreichte unsere Redaktion ein Leserbrief der Bad Driburgerin Esther Kleine.
Es sei weder konservativ noch patriotisch, gegen den Nationalpark zu sein, so Kleine in ihrem Leserbrief. Weiter heißt es:
Die Region hat mich als Heimatverbundene nie losgelassen, weil man sich hier kennt: An der Gartenhecke, auf dem Spielplatz, in der Schützenhalle und im Fitnessstudio. Man kennt sich und nimmt sich wahr. Das finde ich super, das macht es nur manchmal schwer mit der Haltung zu den Themen unserer Zeit.
Die Region hat mich außerdem immer wieder hergelockt, weil man hier Natur vorfindet: Piepmätze, rauschende Wälder und samstäglich das äußerst eingängige Geräusch der Kreissäge eines Nachbarn. In der Stadt sind Wege in die Natur oft weiter – und die ist dann auch noch eingezäunt.
Wissen Sie… aber teilweise ist es hier zu idyllisch. Man sagt heutzutage: “Hier geht nicht viel!”. – Und das kann problematisch werden!
Wir sind hier (Kreis Höxter, Paderborn, Lippe, der HSK) seit Jahren ein “D-Fördergebiet” – wir bekommen also Förderungen für Firmen in jeder Größenordnung, weil wir hier Arbeitgeber brauchen. Kassel, Soest oder Gütersloh bekommen das nicht. Uns fehlt es an Wirtschaftskraft. Das zeichnet uns leider aus.
Falls Sie jetzt denken “Zum Glück haben wir ja hier die Holzwirtschaft” – nee, die rettet uns nicht. Wir bekommen diese Förderungen ja mit dieser Wirtschaft trotzdem. Und mit dem Nationalpark Egge würde diese um gerade mal 0,6 Prozent zurückgehen. Diesen Fakt können Sie mir glauben oder informieren Sie sich bei Günter Bockwinkel von der Gesellschaft für landschaftsökologische Planung, Bewertung und Dokumentation.
Denn: Der Nationalpark ist kein Öko-Traum. Keine Blühwiese zum Tief-Einatmen. Der Nationalpark ist bitter nötig, um ein für uns alle notwendiges Ökosystem zu retten. Bäume, die unser Klima stabilisieren, brauchen nicht Jahrzehnte, um zu wirken, sondern Jahrhunderte. Dafür lässt man sie also stehen! Hierfür empfehle ich Ihnen den seriösesten Informanten seiner Förster-Zunft: Peter Wohlleben.
Wir ernten und verfeuern im Braunkohletagebau noch heute die Bäume von früher. Und setzen damit das sorgfältig gespeicherte CO2 wieder frei. Tag für Tag. Leider. Noch immer.
Der Nationalpark ermöglicht übrigens auch die Renaturierung von Mooren: ein noch effektiverer CO2-Staubsauger als die Bäume.
Das alles sieht dann auch noch richtig nett aus: Es lohnt sich die Wandertour, die Fahrradtour, der Familienausflug oder die Gassitour. Lassen Sie uns gemeinsam die Nutzung dieses Nationalparks in der Nationalparkverordnung gestalten. Lassen Sie uns außerdem dafür sorgen, dass die lokale Gastronomie, die Hotellerie und der Personennahverkehr mal so richtig angekurbelt werden. Lassen Sie uns unzählige Waldarbeiter, Förster, Wildmanager, Ranger, Ausbilder und Gäste-Betreuuer in Lohn und Brot bringen. Begeistern Sie Kinder und Erwachsene Tag für Tag! Sprechen Sie sich für den Nationalpark aus. Ich tu’ es auch.
Ich habe aber noch drei weitere Punkte, die mir aus aktuellem Anlass am Herzen liegen:
Erstens: Wieso sind Klima- und Naturschutz eigentlich links, grün, woke? Wieso ist man in Deutschland konservativ, indem man sich gegen Naturschutz sperrt? Das ist mir total unverständlich und es ist auch unpatriotisch. Erzählen Sie das mal US-amerikanischen Patrioten, dass wir es für konservativ halten, all unsere Wälder weiter abzuholzen und nicht mal die, die niemandem gehören, zu schützen.
Zweitens: Bitte wenden Sie sich für einen Faktencheck nicht an den nächsten Gegner des Vorhabens aus Ihrem Bekanntenkreis. Der wird Ihnen keine Faktenchecks machen, sondern seine eigenen Ideen präsentieren. Ich habe Flugblätter gesehen und von Reden einiger Kommunalpolitiker gehört, die an Polemik, übler Nachrede und Falschinformation nicht zu überbieten sind. Schauen Sie bei so etwas bitte auf die Wortwahl (zum Beispiel “ideologisch-parteipolitisch”, “links-grün-versifft”, “Treppenwitz”, “Irrsinn”) – dann haben Sie klare Indizien dafür, dass Sie die seriöse Faktenwelt verlassen haben. Ja, Emotionalität ist menschlich. Aber wir müssen uns gemeinsam gegen die Verrohung der Worte und Taten wehren. Bitte halten Sie dagegen!
Drittens: Wir alle müssen unseren Nachfahren noch in die Augen gucken können. Wenn die uns fragen, was wir zum Erhalt der Welt beigetragen haben, würde ich mich schämen, dann sagen zu müssen: Ich wollte ehrlich gesagt nicht, dass sich vor meiner Tür was ändert. Mir war es zu bequem. Ich wollte ehrlich gesagt keine Haltung für Demokratie und Gesellschaft zeigen. Irgendwie haben sich in der Zeit halt sowieso alle gezofft. Ich wollte mich nicht für Klima- und Naturschutz einsetzen. Mir gefielen einfach die Leute damals nicht, die das befürwortet haben.
Ich und viele von Ihnen und euch werden in 20 Jahren in einer Welt leben müssen, die Angst macht. 45 Grad im Sommer? Das hab ich mir nicht gewünscht. Starkregen, Hagel, extreme Winde, einbrechende Straßen, Ahrtal? Das alles muss ich mitmachen, ich hab’ gar keine Wahl. Und eigentlich auch keine Lust. Aber der Schaden ist angerichtet. Wir können ihn nur noch gemeinsam begrenzen. Also bitte: Denken Sie an die Zukunft: Ihre eigene, die Ihrer Kinder, Ihrer Enkel. Sie werden es Ihnen danken!
Also:
Das Land NRW schenkt (!!) uns einen Nationalpark auf Staatswald-Flächen. Wir bekommen einen hochgradig attraktiven Wirtschaftszweig in unserer Region geschenkt. Menschen werden hierher kommen, hier übernachten, hier speisen, die Natur genießen, über die Natur lernen. Und die Natur dankt es uns, in dem sie schöner ist, artenreicher ist und wilder ist, als anderswo. Sie ist unser CO2 -Staubsauger vor der Tür, den wir dringend brauchen!
Ich bin pro Wirtschaft, pro Wohlstand und pro Nachhaltigkeit. Ich sage JA zum Nationalpark
Der Leserbrief trifft den Nagel auf den Kopf! Absolut richtig und einfach wahr. Bei uns im Steigerwald gilt das alles genau so. Nur findet die bayrische Staatsregierung polemischen Wählerstimmenfang leider wichtiger als den kleinen Schritt für Natur, Mensch und Region. Ein Nationalpark ist ein 6er im Lotto!