Ostwestfälische Fröhlichkeit oder: Weber in der Bütt?

„Jetzt war, vom Weine feucht, die Zunge los!“

Elisabeth Affani

Bad Driburg. Natürlich ist die Szene urkomisch, die unser Lokaldichter Friedrich Wilhelm Weber im Vorspann seines „Goliath“ schildert. Eine kleine Runde sitzt am Tisch der Gastgeberin, man ist beim Nachtisch angekommen. Die Dame des Hauses gibt dem Diener Friedrich einen Wink, das Dessert aufzutragen. Der aber, „ein frommes Blut vom Lande“, versteht ihre Aufforderung falsch und bringt die Küchenlampe. Bevor die Situation peinlich wird, brechen alle Gäste in fröhliches Gelächter aus.

Die Geschichte von Olaf, der wegen seiner Größe und Stärke Goliath genannt wird, ist nicht sehr fröhlich. Er arbeitet für zwei auf dem Hof des Bauern Knut, der sprichwörtlich zum Lachen in den Keller geht. Als der ihn vom Hof jagt, weil er es gewagt hat, seiner Tochter schöne Augen zu machen, erlebt Olaf nur noch die Natur als Freudenfest, den Bach und den Wind, die lustigen Bergkobolde. Auf dem Hof verlernt jedermann „Lied und Lachen“.

Der Dichter greift eine nordische Sage auf und beschreibt, wie Gott den Riesen Fäl straft, weil er am Karfreitag „in frechem Übermut zum Tanze pfiff, so wild und stürmisch, dass die Mädchen jauchzten“. Alle erstarren zu schwarzem Stein!

Da kann man nur hoffen, dass die Sachsen am Fuß der Iburg in Webers „Dreizehnlinden“ besser wegkommen. Immerhin greifen sie in Frühlingstagen wonnig nach dem Wanderstab, stecken sich einen Blumenstrauß an den Hut und ziehen nach dem langen Winter singend durch das Tal. Aber dann liest man von ihren Kämpfen mit dem „Landesfeind“, von einer weinenden Jungfrau, von rachelüsternen alten Frauen, die einem Mann an den Bart gehen, vom „Helden“, dem zähen, herben, ehrlichen Westfalen. Da könnte man schmunzeln, wenn nicht gleich der Uhu dazwischenginge: „Lass das Klimpern, lass das Leiern!“

Himmel, ist denn das Leben nur ernst und „Moloch unserer Tage“? Auf die Sachsen folgen die freudlosen Franken und dann auch noch die Preußen? Können bei Weber nur die Brunnen lustig hüpfen? Ora et labora?

Die sturen Heiden feiern „auf der Iburg stumpfem Kegel“ die Sonnenwende, essen und trinken, die Angst vor den Franken im Nacken.

In Webers Kloster nach Büttenreden zu suchen ist aussichtslos. Die Mönche brauen jedoch auch. Der Küchenmeister verwertet Kiebitzeier und sorgt für „Fastenspeise! Zwar genießbar / Ist die Welt in manchen Stücken, / Und mir deucht, zum Osterfeste / Gibt es einen Hirschkalbsrücken“. Die Brüder singen, aber nur zu Gottes Preis und Ehre.

Auf Webers Habichtshof geht es ähnlich humorlos zu. Die Sachsen brauen Met und zechen tapfer, bei Tisch gehen sie mit dem Trinkhorn bescheiden um, der Bischof von Paderborn und Kaiser Karl sitzen ihnen im Nacken. Im Herbst feiern sie das Erntefest, singen Stoppellieder. Wer getauft ist, fühlt sich stark und verspottet die Ungläubigen. Die Musikanten spielen auf. „Brauner Met, ihr wackern Leute, / Harrt auf euch in vollen Krügen; / Trinkt und esst und dann im Tanze / Lasst die Mädchenzöpfe fliegen.“ Das Volk sitzt auf der Tenne und lässt sich Kraut und Schinken schmecken. „Iss und schweig!“ Die Franken hören mit.

Damit die Füße beim Tanzen besser gleiten, hat man Wacholdernadeln auf den Boden gestreut. Die holden Frauen sitzen an der Seite und etwas höher als die Männer. Das Methorn macht die Runde. Kostbarer Riesling wird eingeschenkt, auch die Damen dürfen mit anstoßen. Wie es dann leider oft kommt, kommt es zum Streit. Gero und Elmar kabbeln sich, die Lage eskaliert. Die Feier ist vorbei, Frieden und Frohsinn sind fortgeflogen.

Zum Glück sind dies alles alte Geschichten. Auf der Iburg stumpfem Kegel wird nicht mehr gefeiert. Driburger trinken keinen Met, kein fermentiertes Drachenblut, allenfalls als Medizin. Driburgerinnen tragen keine Zöpfe, dagegen fast alle Männer Bärte. Kein Kaiser treibt mehr einen Zins und Zehnten ein, da fällt ein guter Grund zum Zechen weg. Vor den Franken muss sich niemand mehr hüten. Der Erzbischof ist in Rente gegangen. Es könnte allerdings sein, dass er Pastor Lauschus beauftragt hat, in die Bütt zu gehen und von dort ein wenig auf die Schäfchen zu achten. Helden- und Kampfgesänge sind verstummt. Getanzt wird einträchtig nach frommen Klängen wie „La-la-la-Layla“. Alkoholfreies Bier ist der Renner. Helau!


Infobox

“Weber soll also der „bedeutsamste Dichter Westfalens“ sein? Schön wäre es, für Bad Driburg allemal, das den Bezug zu seinem Arzt, Dichter und Politiker verloren hat und ihn neu entdecken könnte. Dass in den 1950er Jahren Webers Werk zum Kanon der Schullektüre gehörte, ist eine gewagte, verallgemeinernde Behauptung. Dass die Sprache bewusst altertümlich und dies der Grund war, dass das Werk in Vergessenheit geriet, ist eine ebenso undifferenzierte Aussage. Weber war Dichter des 19. Jahrhunderts, und da wurde historisiert und romantisiert, was das Zeug hielt. Aber nur die Sprache zu erwähnen wird ihm nicht gerecht. Die Christianisierung Ostwestfalens und der Kampf der Franken gegen die heidnischen Sachsen waren Themen, die den geschichtsinteressierten Dichter Weber berührten. Nach 1950, um bei dieser Grenze zu bleiben, sank das Interesse an historischen Themen, vor allem aber an religiösen.”

So schreibt es unsere Autorin Elisabeth Affani auf Ihrem Blog und bezieht sich mit interessanten Beiträgen zum Thema Friedrich Wilhelm Weber und der gleichnamigen Realschule, in der sie über 30 Jahre tätig war.

Elisabeth Affani an der Tafel.