Die Ratsfraktionen der SPD und ÖDP haben vermutlich die Zahlung von 900.000 € über 15 Jahre ohne Gegenwert an Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff verhindert. Bereits am 20.5 kündigte der Bürgermeister den fraglichen Vertrag, ohne seitdem den Stadtrat zu informieren. Was war passiert? Die Analyse einer fast unglaublichen Behördenposse.
Inhalt
Der Anfang: Eine ominöse Verzichtserklärung und übliche Intransparenz
Der aufmerksame Leser des Ratsinformationssystems war im April verwundert: Der Stadtrat solle die Zahlung von 50.000 € an Graf von Oeynhausen-Sierstorpff für eine Verzichtserklärung beschließen. Unsere Redaktion war so verwundert, dass wir am 15.4.2021 eine Presseanfrage an die Stadt gerichtet haben. Den Sinn der Zahlung konnten wir uns damals nicht erschließen. Eine Prüfung der Hintergründe war uns daher nicht möglich, obwohl die Stadt zur Beantwortung verpflichtet ist.
Den Vorgang hatte BDiB damals jedoch nicht weiterverfolgt, da die Stadt Bad Driburg nur in seltenen Fällen Presseanfragen überhaupt beantwortet und die Nichtbeantwortung von Anfragen – leider – normal ist.
Vor allem durch Pressemitteilungen der SPD und ÖDP wurde das Bild dann klarer: Die Stadt beabsichtigt offenbar eine Quelle auf dem Hauptgrundstück der Eggelandklinik zu nutzen.
Der UGOS (Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen-Sierstorpff) ist es offenbar gelungen die Stadtverwaltung Bad Driburg und in Folge den Stadtrat zu überzeugen, dass eine Nutzung der gewünschten Quelle grundbuchlich – durch eine Dienstbarkeit – verboten ist. Ein solches Verbot kann nur mit einer Verzichtserklärung (Verzicht auf Durchsetzung des Verbots) aufgehoben werden.
Dafür sollte die Stadt Bad Driburg über 15 Jahre verteilt insgesamt 900.000 € bezahlen. Die Öffentlichkeit und selbst die Presse (sogar auf explizite Nachfrage) wurden zu keinem Zeitpunkt informiert, wieso diese Zahlung erforderlich ist und auf welcher rechtlichen Grundlage diese fußt.
Anrufung der Kommunalaufsicht durch die Ratsfraktionen SPD/ÖDP
So kam es dazu, dass sich die Ratsfraktionen der SPD/ÖDP Ende April bei der Kommunalaufsicht – dem Kreis Höxter – beschwerten. Sie forderten, dass der Ratsbeschluss für diese Zahlung rückgängig gemacht werden sollte. (BDiB berichtete)
Der Rat sei falsch unterrichtet worden. Insbesondere sei der Rat nicht unterrichtet worden, dass auf dem großen Hauptgrundstück keine derartigen Verbote liegen. Die Zahlungen seien daher wirtschaftlich wertlos.
Tatsächlich gibt es ein derartiges Recht auf einem der beiden Flurstücke, die die Stadt Bad Driburg vom Land NRW erworben hat. Offenbar hatte man es jedoch versäumt zu prüfen, auf welchem Flurstück sich die Quellen befinden und auf welchem Flurstück sich das Verbot befindet.
Die Entscheidung der Kommunalaufsicht
Die Kommunalaufsicht sieht keine Erfordernis einzuschreiten, da die Stadt Bad Driburg bereits am 20.5 den Vertrag angefochten hat. Es folgt nun also keine Zahlung der Summe an Markus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff.
Über diesen Vorgang ist der Stadtrat jedoch in den zwei danach folgenden Ratssitzungen nicht informiert worden. Der Bürgermeister hat also eine Entscheidung des Stadtrats rückgängig gemacht und den Stadtrat darüber nicht in Kenntnis gesetzt.
Der Kreis Höxter stellt auch fest, dass das Vorgehen der Stadt hier auf “unzureichende” Betrachtung der Grundbücher zurückgeführt werden kann. Sie merkt an, dass eine solche Prüfung “sehr sorgfältig” erfolgen müsse. Indirekt wird also gesagt, dass keine sorgfältige Prüfung durch die Stadtverwaltung erfolgte.
Aus kommunalaufsichtlicher Sicht kann das Vorgehen der Stadt hier nachvollziehbar nur auf eine unzureichende Ermittlung hinsichtlich der angeführten Grunddienstbarkeit zurückgeführt werden, die bei mehrfachen katasteramtlichen Veränderungen mit Änderungen der Flurstücksbezeichnungen sehr sorgfältig auch bzgl. der jeweiligen Umschreibungen der Lasten/Beschränkungen (hier: Grunddienstbarkeit) in Abt. II des Grundbuches erfolgen muss. Die Stadt hat eine fehlerhafte Feststellung eingeräumt und das Rechtsgeschäft durch Anfechtung unverzüglich rückabgewickelt.
Auszug aus der Entscheidung der Kommunalaufsicht
Die Kommunalaufsicht gibt den Fraktionen der SPD/ÖDP letztlich Recht. Hätte der Bürgermeister den Vertrag nicht angefochten, so hätte die Aufsicht den Ratsbeschluss beanstandet.
Ohne eine tatsächlich auf dem städt. Grundstück lastende Dienstbarkeit ist Ihren Ausführungen zuzustimmen, dass der aus dem Vertrag resultierenden Zahlungsverpflichtung dann keine Gegenleistung gegenübergestanden und dies gegen haushaltswirtschaftliche Grundsätze verstoßen hätte.
Auszug aus der Entscheidung der Kommunalaufsicht, Seite 5
Interessant ist nebenher auch, dass durch die Zahlung von 50.000 € pro Jahr lediglich “allgemeiner geringfügiger Ausschank an der neuen Quelle” erlaubt gewesen wäre. Die Nutzung der Quelle wäre – für den relativ großen Preis – vergleichsweise stark eingeschränkt gewesen. Auch dies wurde der Öffentlichkeit bislang nicht mitgeteilt.
Die vollständige Entscheidung:
Grundstückskauf ohne genaue Prüfung der Grundbücher?
Wer privat ein Grundstück kauft, weiß um die Wichtigkeit der genauen Prüfung der Grundbücher und der eingetragenen Dienstbarkeiten. Wenn dann noch eine Zahlung in Höhe von 900.000 € eben wegen dieser Grundbücher notwendig wird, sollte die Prüfung umso genauer ausfallen.
Daher stellt sich die Frage, wie kompliziert diese Prüfung war.
Es wird sich herausstellen: Sie ist tatsächlich so einfach, dass sie selbst durch Dritte in wenigen Minuten erledigt werden kann. Dazu ist lediglich die Kenntnis des Kaufvertrags für die Eggelandklinik notwendig. Außerdem benötigt man einen Internetzugang.
Das Grundstück
Gekauft wurden ausweislich des Kaufvertrags zwei Flurstücke. Die Flurstücke 2596 und 2654.
Das Bohrverbot
Auf einem der Flurstücke (dem Flurstück 2596) ist laut Grundbuch die Bohrung zur Erschließung von Mineralquellen verboten.
Die Wiesenquelle
Diese Quelle will die Stadt wiederbeleben und sah sich daher zur Zahlung verpflichtet, da dies offenbar durch den Gräflichen Park behauptet wurde.
Laut Stellungnahme der Stadt Bad Driburg ist “offen auf welchem Grundstück sich die Wiesenquelle geologisch befindet und wie die entsprechende Bohrung verortet ist”. Gemeint ist mutmaßlich, dass unbekannt ist, ob die Bohrung auch unter des Grundstücks mit dem Bohrverbot entlang führt.
Wo die Bohrung beginnt, ist jedoch klar, denn dies steht in der Anlage zum Kaufvertrag sowie auch im Flächennutzungsplan.
Entfernung der Quelle zum Flurstück
Zur Klärung dieser Frage, muss beantwortet werden, wo sich das Flurstück 2596 mit dem Verbot befindet. Dies ist offenbar der Punkt, der innerhalb der Stadtverwaltung Bad Driburg für Probleme gesorgt hat bzw. überhaupt nicht geprüft wurde.
Mithilfe des öffentlichen Geoportals des Landes NRW hätte sich diese Frage problemlos beantworten lassen. Es ist das Flurstück südlich des Katzohlbaches. Die Entfernung des Grundstücks zum Quellenhaus beträgt über 40 Meter. Dass eine Bohrung derart quer in den Boden getrieben würde, ist praktisch ausgeschlossen.
Fazit
Die Erklärung, dass die Bohrung möglicherweise so quer verläuft, dass sie das Flurstück 2596 durchbohrt, scheint vorgeschoben.
Dafür spricht einerseits die Entfernung zur Quelle. Aber auch, dass zu keinem Zeitpunkt den Ratsmitgliedern mitgeteilt wurde, dass die Verzichtserklärung nur vorsorglich für einen eher unwahrscheinlichen Fall getroffen würde. Auch die Sitzungsvorlage erwähnt keine derartigen Unsicherheiten – so stellt es die Kommunalaufsicht fest.
Hat Markus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff die Stadtverwaltung möglicherweise an der Nase herumgeführt, indem schwammige Formulierungen gemacht wurden?
Denn noch am 5.5.2021 verwendete die Pressesprecherin der UGOS in der Neuen Westfälischen folgende schwammige Formulierung, die dem Sachverhalt nicht gerecht wird:
Zugunsten von (heute) Graf Oeynhausen ist seit 1953 im Grundbuch der Liegenschaft der Eggelandklinik ein Verbot zur Bohrung und Erschließung von Mineralquellen eingetragen.
NW, vom 5.5.2021
Aber selbst dies würde die Stadt nicht von ihrer Pflicht entbinden, derartig hohe Zahlungsverpflichtungen genau zu prüfen. Insbesondere dort, wo die Verpflichtung durch stadteigene Grundstücke entstehen soll.
Kurzum: Es sollten hier möglicherweise über 15 Jahre insgesamt ca. 900.000 € bezahlt werden, weil man den Aussagen des Vertragspartners vertraute und keine eigenen Prüfungen anstellte.
Die Reaktionen der Parteien dürften nicht lange auf sich warten lassen.
Das ist ein Riesenskandal, der nicht ohne Konsequenzen bleiben darf!
Ohne die erfolgreiche Beschwerde der Fraktionen von ÖDP und SPD hätte die Stadt Bad Driburg dem Privatbadbesitzer Oeynhausen-Sierstorpff fast 1 Million geschenkt, 50 000 Euro jedes Jahr und das 15 Jahre lang. Man kann das Ganze jetzt zu einem Versehen oder einer nachlässigen Prüfung seitens des Bürgermeisters Deppe und des Privatbadbesitzers herunterspielen, ich sehe nach dem Bericht von BDIB darin eine bewusste Täuschung des Rates und der Öffentlickeit. Verharmlosend von einer Provinzposse zu sprechen, wie BDIB es tut, ist völlig unangemessen. Das grenzt eher an Betrug!
Von einer “Posse” spricht auch die SPD. Leider hat unsere Redaktion nicht Zugriff auf alle Dokumente und Protokolle wie es die Fraktionen haben – sodass sich aktuell nur Inkompetenz nachweisen lässt. Dies ist auch der Grund wieso wir den Vorgang im April nicht prüfen konnten. Der Fehler wäre unserer Redaktion möglicherweise aufgefallen.
Ein Betrug lässt sich – stand jetzt – nicht beweisen. Dadurch, dass sich im Exposé des BLB NRW dieser Fehler befindet ist auch die Theorie der fehlerhaften Prüfung nicht völlig abwegig.