Ein Kommentar zum Auftaktprozess zwischen Stadt und UGOS

Heribert Böger

Lange Gesichter zogen Bürgermeister Deppe und Beigeordneter Scholle in der Verhandlung der Klage des Grafen Oeynhausen gegen die Stadt vor dem Landgericht am 12.07.24, als der Vorsitzende Richter nach informativer Befragung beider Parteien die Rechtsmeinung der Kammer vortrug:
Die von der Stadt ausgesprochene Irrtumsanfechtung des Vertrages auf Zahlung von jährlich 50.000 € mit 2,5 % Wertsteigerung führe wohl nicht zu dessen Nichtigkeit, denn nach eigener Darstellung des Beigeordneten Scholle sei die Stadt ja keinem Irrtum erlegen, sondern habe selbst schon Zweifel daran gehabt, wie weit das Recht des Grafen reichte, Quellbohrungen untersagen zu können.

Beigeordneter Michael Scholle,  Bürgermeister Burkhard Deppe und der Anwalt Dr. Daniel Wittig von der Kanzlei Brandi Paderborn.
Hasso Werk von der SBZW Rechtsanwaltskanzlei aus Göttingen im Gespräch mit Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff.

Scholle hatte weitschweifig ausgeführt, dass man die geologischen Verhältnisse und Eignung der Wiesenquelle noch habe untersuchen wollen, die Zeit zum Abschluss des ganzen Vertragspakets mit Graf Oeynhausen aber zu knapp gewesen sei.

Der Vorsitzende Richter Johannes Mertens, sowie die beiden Richterinnen Brinkmann und Veith.


Der Vorsitzende merkte auch an, dass eine Anfechtung unverzüglich, also ohne schuldhaftes Zögern nach Kenntnis des Irrtums erklärt werden musste, also die Anfechtung verspätet war. Scholle hatte dazu auf Befragen ausgeführt, dass er erst nach Kenntnisgabe der Beschwerde der SPD- und ÖDP-Fraktion durch die Aufsichtsbehörde Ende April 2021 von der Fehlbeurteilung erfahren hätte. Dann habe man erst einmal die Grundbuchauszüge vom Amtsgericht angefordert und geprüft. Das sei sehr kompliziert gewesen, da die Grundstücke mehrfach geteilt und vereinigt worden seien und mehrere Grundbuchblätter zu untersuchen gewesen seien. Daher habe man erst am 20.05.21 anfechten können.

Das Gericht sprach offensichtlich verwundert an, dass die Politik bessere Kenntnisse als die Verwaltung hatte. Dazu fehlte dem Beigeordneten jede Erklärung.
Amüsiert zeigte sich das Gericht von der Meinung der Stadt, dass sie durch Nichtzahlung die Vereinbarung außer Kraft setzen könne. Zwar sei im Rahmen der Privatautonomie vieles vereinbar, was nicht sittenwidrig sei oder gegen Gesetze verstößt. Dass aber eine Vertragspartei nach Belieben durch Zahlungsverweigerung aus der Verpflichtung frei werde, sei ihm jedenfalls noch nicht vorgekommen.

Damit war klar, wohin die Reise ging.
Kleinlaut stimmten Bürgermeister Deppe und Beigeordneter Scholle einer vom Grafen verlangten und vom Gericht vorgeschlagenen Abfindungszahlung zu, die nach Ansicht des gräflichen Anwalts angesichts der klaren Prozesslage erheblich über der Hälfte der streitigen Forderung liegen müsse. Hierüber soll bis zur nächsten Ratssitzung nach den Ferien verhandelt werden. Einigt man sich nicht, wird am 04.10.24 ein Urteil verkündet. Das Ergebnis dürfte niederschmetternd sein, nämlich die Zahlungsverpflichtung i.H.v. ca. 900.000 € in jährlichen Raten bis zum Jahre 2036!

Niederschmetternd ist hier auch, dass mit vergleichsweiser Abstandszahlung oder Urteil ein Schaden incl. Anwaltskosten unglaublicher Höhe entstehen wird, der bei Beachtung der für die handelnden Beamten gebotenen Sorgfalt ohne weiteres hätte vermieden werden können.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 19.08.1998, 2 B 6/98, liegt grobe Fahrlässigkeit vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sind und das unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem hätte aufdrängen müssen. Im Einzelfall ist auf die für die Amtstätigkeit erforderlichen Kenntnisse abzustellen.
Der Sachbearbeiter im Liegenschaftsamt einer Verwaltung oder eine Notariats-Fachangestellte müssen ohne weiteres in der Lage sein, ein Grundbuch zu lesen.

BDiB (gemeint ist Bad Driburg im Blick,  Anm.d.Red.) hat im Rahmen der Transparenzkampagne den Kaufvertrag über den Ankauf des Eggeland-Geländes veröffentlicht. In § 1 des Vertrages ist der Grundbuchstand aufgeführt und deutlich beschrieben, dass die Dienstbarkeit des “Eigentümers des Bades Driburg” nur das Flurstück 2596 betrifft. Dessen Lage konnte ganz einfach durch Einsicht in die Katasterkarte im Geoportal des Kreises ermittelt werden. Ein Katasterplan war sogar dem Exposé des Landes beigefügt; die unbelastete Parzelle mit der Nummer 2654 mit dem Klinikgebäude, dem Stahlquellenhaus an der Grenze zu Bahnhofstraße und der Pavillon der Wiesenquelle sind deutlich  dargestellt.

Auch im Exposé ist das Grundbuch richtig wiedergegeben und die Brunnengebäude sind beschrieben mit Fotos.
Entgegen den Einlassungen der Verwaltung konnte das Exposé den Irrtum nicht begründen.
Als die Entwicklungsgesellschaft das Hauptgrundstück mit den Quellen an die Stadt später veräußerte, musste der Notar auch in diesem Vertrag den Grundbuchstand aufführen. Das belastete Grundstück blieb bei der Entwicklungsgesellschaft. Ein Blick in diesen Vertrag hätte also genügt festzustellen, dass dieses Grundstück lastenfrei ist.
Auch ohne nur einen Fuß auf das Gelände zu setzen, hätte ein für das Amt eines Beigeordneten oder Bürgermeisters geeigneter Beamter den Sachverhalt ohne großen Zeitaufwand ermittelt, bevor ein folgenschwerer Vertrag unterschrieben wird! Von einem Volljuristen wie dem Beigeordneten Scholle durfte man erwarten, dass er die oben aufgeführten ganz naheliegenden Überlegungen anstellt und somit nicht unbeachtet geblieben wäre, was sich hier jedem aufdrängen musste!


Mangelnde Professionalität führt hier zu einem hohen Schaden für die Stadt, der bei sorgfältigem Arbeiten hätte vermieden werden können! Uber die daraus zu ziehenden Folgerungen werden zunächst der Rat und im nächsten Jahr der Wähler entscheiden.


Heribert Böger

Heribert Böger (Rechtsanwalt und Notar a.D.) war langjähriger Stadtverordneter und SPD Fraktionsvorsitzender der Stadt.