„Da staunt der Laie, und der Fachmann wundert sich!“ (Teil II)


Über die Nachhaltigkeit von Einzelhandelskonzepten

Bad Driburg. (ea) Die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes (EHK) hat einen Umfang von 93 Seiten. Der Entwurf ist Werk der Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung Köln (GMA).

Auf der Seite 7 wird die künftige Bauleitplanung und im Zusammenhang mit aktuellen Planungen in Klammern die Verlagerung des Aldi-Marktes erwähnt.
Die GMA hat ermittelt, dass die Driburger Bürgerinnen und Bürger vor allem im kurzfristigen Bedarfsbereich in ihrer Stadt einkaufen, in erster Linie Lebensmittel und Getränke. Unterschieden wird in Vollsortimenter, dazu werden Rewe und Combi gerechnet, und Discounter. Die Märkte in der Innenstadt und am Siedlerplatz werden bevorzugt. Die GMA betont die „gute Ausstattung im Nahrungs- und Genussmittelsegment in der Bad Driburger Kernstadt“ (S. 33). Der Aldi-Markt in der Südstadt ist Teil der aufgezählten Märkte.

Quelle: Fortschreibung des Einzelhandels-
konzeptes für die Stadt Bad Driburg Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH
Ludwigsburg / Dresden / Hamburg / Köln / München

Auf der Karte 2 „Nahversorgungssituation“ wird Aldi neben drei anderen Märkten in der Südstadt aufgeführt, der Verlagerungsstandort ist jedoch bereits eingezeichnet. Im Innenstadtbereich sind es zwei, im Norden und Nordwesten je einer.
Vom Raum her gibt es, so die GMA, kleinere Versorgungslücken etwa östlich der Bahnlinie. Aber sie bieten angeblich „keine ausreichende Einwohnerpotenziale für eigene Nahversorgermärkte“. Aber eine Verlagerung des Aldi-Marktes trägt den Marktforschern zufolge „perspektivisch zu einer Optimierung der wohnortnahen Nahversorgung“ in der Kernstadt bei. Auch die Ortsteile müssten „größtenteils“ mitversorgt werden.

Die quantitative Ausstattung im Lebensmittelbereich bewertet die GMA als gut. Auch der Mix verschiedener Betriebstypen sei ausgewogen. Aber: „Der Großteil der Supermärkte und Discounter verfügt über durchschnittliche bis zeitgemäße Marktauftritte.“ (S. 57) Die GMA sieht bei Combi (Lange Straße) und Netto Modernisierungs- bzw. Erweiterungsbedarf, nicht bei Aldi.

Auch hier darf der Laie sich wundern: Viele Bürgerinnen und Bürger fragten sich, warum Einzelhandelsgeschäfte und Dienstleister während der Corona-Krise schließen mussten, während die Discounter unter Auflagen weiter geöffnet waren. Die GMA geht davon aus, dass der Einzelhandel unter der Pandemie gelitten hat, dass er einem „Abschmelzungsprozess“ unterliegt und dass auch der Onlinehandel ihm mehr zusetzt als den Discountern.
Jetzt will ein Discounter ihm also noch mehr zusetzen. Im Corona-Jahr wurden im Einzelhandel natürlich sinkende Besucherfrequenzen ermittelt. Möglicherweise hat die Stadt die Hoffnung bereits aufgegeben, dass sich die Leerstände mit Einzelhandelsideen füllen lassen.

„Aufenthaltsqualität“, Verweildauer und Frequenz der Besucher in der Innenstadt sollen gefördert werden. Aber dem Einzelhandel gibt die GMA nur wenige Chancen. Es sei nicht zu erwarten, dass er „seine Marktbedeutung räumlich ausweiten kann“. Paderborn und Brakel sind Konkurrenten. Bad Driburg als Einzelhandelsstandort müsse sich „bemühen, seine Wettbewerbsposition zu erhalten“.
Für die GMA reichen die Forschungen aus, um eine Verlagerung des Aldi-Marktes an den Standort Konrad-Adenauer-Ring / Dringenberger Straße zu empfehlen (S. 66). Konkret schlägt sie die Verlagerung des Rewe-Getränkemarktes in die Aldi-Altimmobilie „zur Bestandssicherung“ vor. Dann könne Rewe am Siedlerplatz sich maßvoll erweitern.

Die Innenstadt soll als zentraler Versorgungsbereich gestärkt werden. Aldi würde laut GMA am neuen Ort „perspektivischer Nahversorgungsstandort“ sein. Er könne „zentrenrelevante Kernsortimente“ anbieten, in einer „siedlungsräumlich integrierten Lage“. Die Marktforscher
weisen darauf hin, dass die städtebaulichen oder versorgungsstrukturellen Auswirkungen geprüft werden müssten, vor allem dann, wenn Aldi mehr als 800 m2 Verkaufsfläche anbieten will – Prüfung „durch den Antragsteller“?

Der Landesentwicklungsplan (LEP) kommt nun ins Spiel. Artikel 6.5 Absatz 2 regelt den Umgang mit Standorten des „großflächigen Einzelhandels“ mit „zentrenrelevanten Kernsortimenten“.
Der Amtsschimmel wiehert, und der Laie wundert sich schon wieder.
Er muss weiter zum § 11 Absatz 3 der Baunutzungsverordnung schwenken. Der regelt nämlich die Ausnahmen.
Die Kommune muss festlegen, wie die städtebauliche Integration aussehen soll, ob sie auch atypisch sein kann. Vertrauen wir also den Fachleuten in der Verwaltung, den Ausschüssen und dem Rat. Sie müssen abwägen, ob der Discounter Aldi zum Einzelhändler in bester Innenstadtlage und die grüne Wiese zur innerstädtischen Geschäftslage mutieren darf. Auch Corona-Tests gehören ja bereits zur Aldi-Apotheke.
In der Zwischenzeit dürfen wir weiter über den Leerstand in der Innenstadt nachdenken. Aus dem Programm Lebendige Innenstädte NRW erhält die Kommune Städtebau-Fördermittel.
Die GMA nennt die Trends: Multi-Channel-Selling, Omni-Channeling, Wandel im Handel, Hybrid-Handel online/offline, Discount-Shopping, Smart Shopping, Convenience Shopping und so weiter.

Was also macht das Zentrum unserer „unprofilierten mittelmäßigen Kleinstadt“ lebendig?
Aldi?