Wer will fleißige Handwerker sehn?

NGG warnt vor Azubi-Vakuum im Bäckerhandwerk

Elisabeth Affani

Bad Driburg. Die Kunst geht sprichwörtlich nach Brot, und Backen ist keine brotlose Kunst. Kleine Brötchen backen ist für Bäcker kein Thema. Das Brot des Lebens, ungesäuertes Brot, Brot zum Fastenbrechen – es hat symbolische Bedeutung. Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing‘: Backe, backe, Kuchen, der Bäcker hat gerufen! Bäcker sind „systemrelevant“, sie werden gebraucht.

Nirgendwo gibt es so viele Brotsorten wie in Deutschland. Aber wie lange noch?

Dem Bäckerhandwerk fehlt der Nachwuchs. Bäcker lassen sich etwas einfallen, um Bewerber zu bekommen, zum Beispiel „die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen, einen angenehmen Arbeitsplatz in einem tollen Team, kostenlose Verpflegung während der Arbeitszeit, 40 % Ermäßigung auf unser gesamtes Sortiment außerhalb der Arbeitszeit“.

Andere Bäckereien bieten Azubis eine attraktive Vergütung, betriebliche Altersvorsorge, Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Und doch werden am 1. August viele dieser Stellen unbesetzt bleiben.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten Bielefeld mit ihrem Geschäftsführer Thorsten Kleile warnt vor einem „Azubi-Vakuum“ im „Frühaufsteher-Handwerk“, auch im Kreis Höxter.

„Keine Wette auf die Sonntagsbrötchen 2030“ heißt es in der Pressemitteilung der NGG.

Aber wie holt man junge Menschen in die Backstuben? Woher soll der Nachwuchs kommen? Eine bessere Vergütung, bessere Ausbildungsbedingungen, eine attraktivere Ausbildung seien notwendig, sagt Thorsten Kleile. Das Bäckerhandwerk müsse dem Nachwuchs mehr bieten. Mit 680 Euro im ersten und 885 Euro im dritten Ausbildungsjahr könne man junge Menschen weder in die Backstube noch an die Verkaufstheke locken.

Gab es laut der Bundesarbeitsagentur im Herbst 2013 noch 182 Azubis in den 32 Bäckereien und elf Filialen, seien es 2022 nur noch 103 gewesen. Die NGG fordert eine erste Anhebung der Vergütung auf 850 im ersten und 1075 Euro im dritten Lehrjahr, eine weitere Anhebung auf 950 und 1100 Euro. Zusätzlich fordert die NGG ein „Ausbildungs-Ticket“ von 49 Euro, um die Azubis mobil zu machen.

Die Verhandlungen zwischen der NGG und dem Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks über einen neuen bundesweiten Tarifvertrag für Auszubildende seien vorerst gescheitert. Es komme jetzt darauf an, dass das Bäckerhandwerk im Kreis Höxter Druck auf den eigenen Innungsverband mache.

„Andernfalls würde ich für 2030 keine Wette mehr auf das Sortiment und die Fülle an frischen Sonntagsbrötchen abschließen, die die Bäckereien heute noch bieten“, sagt NGG-Geschäftsführer Thorsten Kleile.

 


Infobox

Ab dem 1. Februar 2022 galten folgende Tarife für Bäckergesellinnen und -gesellen:

Im 1. und 2. Jahr erhalten sie 2.302,00 €, im 3. und 4. Jahr 2.570,00 € und ab dem 5. Jahr 2.686,00 €.

Auszubildende erhalten im 1. Jahr 680 €, im 2. Jahr 755 € und im 3. Jahr 885 €. In der Industrie sind die Vergütungen je nach Bundesland höher.

In der Regel dauert die Wochenarbeitszeit 38,5 Stunden.

Im Jahr 2021 hatten 43 Prozent der Azubis einen Hauptschulabschluss, 29 Prozent den mittleren Schulabschluss (Fachoberschulreife) und 13 Prozent Abitur.

Ausgebildete Bäcker können außer in handwerklichen Bäckereien in Großbäckereien arbeiten, in Fachgeschäften wie Spezial- und Diät-Bäckereien, in der Gastronomie und im Cateringbereich, im Verkauf, in Konditoreien, aber auch auf Kreuzfahrtschiffen, in Freilichtmuseen, Hotels, auf Biohöfen, in Sozialwerken, auf Inseln, sogar als Offshore-Bäcker auf Bohrinseln. Sie können Baguettes und Croissants wie in Frankreich backen, Knäckebrot wie in Schweden, polnische Bagels, bulgarische Fladen und österreichische Semmeln. Bäckergesellen können auf die Walz gehen, durch Indien, Mexiko oder Neuseeland wandern und internationale Rezepte sammeln.