Eine große Reise

Bad Driburg. (kb/ab/red) Schon das Abendrot über Bad Driburg kündigte einen besonderen Abend an. Ein Abend voller neuer Eindrücke.

Die Bad Driburger Touristik hatte in den Gräflichen Park eingeladen, um den Alltag einmal hinter sich zu lassen, was dem einen oder anderen vielleicht schwer gefallen sein mag, und sich ganz tief in eine Phantasiewelt fallen zu lassen. Am Freitag und Samstag zu vorgerückter Stunde strömten hunderte Besucher in kleinen Gruppen und fünfzehnminütigen Abständen in den Gräflichen Park, um sich auf eine ganz besondere Reise zu machen…

In Pandemiezeiten, Zeiten voller Umbrüche, Naturkatastrophen wohin man schaut, die nicht aufhören zu scheinen,  Kriege in dem sich ein Volk über das andere erhebt, waren diese Eindrücke regelrecht Balsam. Balsam für Leib und Seele. Über 4000 Lichter zeigten dem Zuschauer einen Weg, der nicht immer geradeaus führte. Ganz im Gegenteil er führte über Umwege zu neuen Ergebnissen. Dabei war die Nacht der Perseiden besonders schön. Ein klarer Blick nach oben, eröffnete einen besonderen Sternenhimmel. Somit sind Himmel und Erde hier und heute eine ganz besondere Symbiose eingegangen.
Eine große Reise, die sicherlich wiederholt werden sollte.

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Unser Fotograf Kevin Brand hat Aufbau und Inszenierung auf unseren Instagramkanal
begleitet.

Inszenierung
Ein Narr hat seine Jahrmarktsbude aufgebaut. Er fängt Bilder aus der Luft, erzählt verrückte Geschichten und treibt mit dem Publikum seinen Schabernack.
Wer durch das Tor der Bude tritt, dem eröffnet sich eine ganz andere Welt: ein Irrgarten aus tausenden von Lichtern. Der Besucher wird zum Reisenden: Koffer – Guckkästen gleich – warten darauf von ihm mitgenommen zu werden. Im Labyrinth leben Figuren, die ebenfalls auf der Suche nach ihrem Weg sind: Der Prinz, der nicht König werden will; die Vogelfrau, die ihren Traum vom Fliegen nicht aufgibt; der Lampenträumer, der magische Lichtbilder von einem fremden Land malt und die Besucher nach dem Weg dorthin fragt…

Die Idee
Die große Reise erzählt von der Lebensreise der Menschen. Der Irrgarten –  eine Spielart des Labyrinths – gehört zu den ältesten Symbolen dieser Reise: Menschen, die in das Labyrinth gehen, gelangen ins Zentrum, zur Mitte, zu sich selbst. Die Lebensreise spiegelt sich in der Heldenreise wider – Grundlage vieler Epen und klassischer Hollywoodkinofilme: Der Held zieht in die Welt, um sein Abenteuer zu bestehen. Geläutert und erwachsen kehrt er in die Heimat zurück, um dort Gutes zu tun. Die Geschichte von Theseus und dem Minotaurus im Labyrinth von Knossos ist beispielhaft dafür, dass die Heldenreise und das Labyrinth als  dramatischer Ort zusammengehören. Theater Anu inszeniert keinen Minotaurus und keine Heldengeschichten, bietet aber dem Besucher die Gelegenheit, über die Minotauren im eigenen Lebenslabyrinth nachzudenken. In der Atmosphäre tausender Kerzen wandelt sich das Denken schnell in eine Träumerei poetischer Bilder.

Das Kerzenlicht
Möchten Sie zur Ruhe kommen? „So atmen Sie vorsichtig vor einer zarten Flamme, die gemächlich ihre Lichtarbeit verrichtet.“ Diese Aufforderung findet sich in Gaston Bachelards „Die Flamme einer Kerze“, einem Buch, das sich auf poetisch-philosophische Weise mit der Träumerei bei Kerzenschein befasst. Bachelard beschwört mit seiner eingängigen Sprache die „Träumerei bei kleinem Lichte“ wieder in das Bewusstsein der Menschen. Denn das Denken bei Kerzenschein entschwindet sofort in die Träumerei: Bilder flackern auf, der Geist wird ruhig. Es sind Bilder nicht von dieser Welt. Bilder, die das Reale überschreiten, die an verloren geglaubte Träume, Wünsche und Geschichten erinnern. Bilder von archaischer Kraft, die wir meist nur noch aus alten Mythen kennen. Wir sind in der Sphäre der Träumerei angelangt, die uns fremd und doch so nahe ist.

Wer sich in unsere Lichterlabyrinthe begibt, fühlt sich bald in den Zustand der Träumerei versetzt. Es ist kaum möglich, sich der Atmosphäre dieser riesigen Lichtermeere zu entziehen. Als Traumwandler reist man durch diese Welten, begegnet Figuren, die von ihren Träumen und Wünschen erzählen, die aber – wie der Träumende selbst – nicht in der Lage sind, sie zu leben.

Bachelard charakterisiert das poetische Bild als „direkte Bezugnahme einer Seele zu einer anderen, als eine Begegnung von zwei Wesen, die Glück empfinden“, indem sie in einer poetischen Bild-Sprache einander erzählen und verstehen.

Wir von Theater Anu wünschen uns, dass die poetischen Bilder – unsere wie die der reisenden Besucher unserer „Welt des kleinen Lichts“ – eben diese Kommunikation ermöglichen, ein Spiel entstehen lassen, in dem zwei Wesen – wir Spieler und Sie als Besucher – Glück empfinden. Wir erschaffen die Sphäre der Träumerei, in der Sie hoffentlich über die Nacht des Lichterirrgartens hinaus träumen werden.

Quelle: https://theater-anu.de/anuwelten/die-grosse-reise/

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