Als Alfred Blumenberg verschleppt und ermordet wurde

Ein Beitrag zur Bad Driburger Stadtgeschichte von Andreas Amstutz

Bad Driburg. Gestern jährte sich zum 81. Mal die Deportation von Alfred Blumenberg nach Niedermarsberg in die dortige Provinzial-Heilanstalt.

Damit hat es auch in Bad Driburg nachweislich einen Fall von NS-Euthanasie gegeben. Der 25-jährige Alfred, geboren am 15. Februar 1914, lebte bis dahin mit seinen Eltern Siegfried und Selma sowie mit seinem 18-jährigen Bruder Gustav als jüdische Familie in der Langen Straße 24. Sie waren in der Stadt fest verwurzelt.

Alfred Blumenberg, der in Brandenburg ermordet wurde.
Quelle: Stadtarchiv Bad Driburg

Im Jahr 1908 wurde dem Vater der elterliche Besitz mit Wohnhaus, Hintergebäude, Schlachthaus und Garten übertragen. Siegfried Blumenberg war als Metzger und Viehhändler tätig. Während des 1. Weltkrieges kamen die Tätigkeiten durch seine Kriegsteilnahme zum Erliegen. Danach verschlechterte sich die finanzielle Situation bis hin zu Zwangsmaßnahmen wegen Steuerschulden im Jahr 1933. Die Situation wurde durch die NS-Gewaltherrschaft gegenüber den Juden noch schlechter, so dass der Betrieb 1938 aufgegeben wurde und Vater Siegfried zunächst als Lagerarbeiter beschäftigt war. Mutter Selma verstarb früh im Alter von 55 Jahren am 22. Mai 1939.

Das Anstaltsgebäude Brandenburg an der Havel (etwa 1925). Im Vordergrund die Anstaltsscheune, in der für die T4-Aktion eine Gaskammer eingerichtet wurde.
Quelle: Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Nach der Verschleppung am 14. August 1939 nach Marsberg wurde Alfred am 25. September 1940 weiter in die Heil- und Pflegeanstalt Gießen verlegt, kurz darauf per Sammeltransport mit dem Bus in die Anstalt Brandenburg an der Havel „überstellt“ und dort am 01. Oktober 1940 ermordet. An anderen Stellen wurde bislang Cholm (Polen) angenommen.

Die Tötungsanstalt war eine von sechs solcher im Deutschen Reich. Die Ermordung folgte einem bestimmten Ablauf. Die Opfer wurden nach ihrer Ankunft zuerst in die Aufnahmebaracke geführt und mussten sie sich zunächst entkleiden. Alfred und die anderen Opfer wurden gewogen, gemessen, fotografiert und dann einem Arzt vorgeführt, aber nur um auffallende Kennzeichen oder Operationsnarben für die angebliche Todesursache zu vermerken. Anschließend wurden sie in die Anstaltsgaskammer gebracht, durch 20 Minuten lang einströmendes Kohlenmonoxid Gas getötet und im anstaltseigenen Krematorium verbrannt.

Blick auf das Zuchthausgelände
Quelle: Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten

Das extra eingerichtete Sonderstandesamt Brandenburg II hat jeweils eine Todesurkunde mit einer erfundenen Krankengeschichte für eine natürliche Todesursache ausgestellt. Die Sterbeurkunde sowie ein „Beileidsschreiben“ wird, wie damals üblich, dem Vater Siegfried per Post zugestellt worden sein.

Vater Siegried, mittlerweile 73 Jahre alt und Bruder Gustav (20 J.) wurden am 30. März 1942 mit weiteren jüdischen Mitbürgern in das Ghetto Warschau deportiert. Nach gesicherten Erkenntnissen haben sie den Holocaust nicht überlebt. Sie wurden höchstwahrscheinlich in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort nach der Ankunft ermordet.

Quellen und Literatur:
• Waldemar Becker, Schriftenreihe des Heimatvereins Bad Driburg, Heft 29, Geschichte der Driburger Juden, S. 67, 68
• Arolsen Archiv, www. arolsen-archives.org, online-datenbank, Dokument Nr. 70393733
• Yad Vashem, Online-Datenbank der Internationales Holocaust Gedenkstätte, Internet: www.yadvashem.org/de
• Ernst Klee (Hrsg.): Dokumente zur „Euthanasie“. Fischer Taschenbuch Verlag Nr. 4327, Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-596-24327-0, S. 232.
• Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, https://www.brandenburg-euthanasie-sbg.de/geschichte/1940-t4-mordstaette-brandenburg/
• Institut für Zeitgeschichte München-Berlin, Aufsatz von Peter Sander „Die Euthanasie-Akten im Bundesarchiv“, abgedruckt im Heft 3, Jahrgang 47 (1999)