Eine Analyse der Redaktion
Bad Driburg. Die Ratsmitglieder waren im April 2021 sichtlich überrascht als die Stadtverwaltung ihnen mitteilen musste, dass das geplante Bürgerhaus nunmehr 10,6 Millionen Euro kosten solle. (BDiB berichtete) Einige Fraktionen machten gar einen handfesten Skandal aus. Wenig geschickt war es von der Stadtverwaltung daraufhin nicht eine Transparenzoffensive zu starten.
Stattdessen wurden in der Ausschuss-Sitzung im April keine Kostenberechnungen vorgelegt. Zwar wurden die Zahlen in der folgenden Ratssitzung geliefert. Dort jedoch nicht als Tischvorlage, sondern kaum leserlich an die entfernte Wand der Schützenhalle gebeamt. Bis heute ist die Kostenschätzung nicht öffentlich und frei im Ratsinformationssystem zugänglich, was bei derartigen Dokumenten eigentlich üblich wäre.
Mithilfe des Informationsfreiheitsgesetz NRW, das jedem die Möglichkeit gibt Informationen bei Behörden anzufragen, konnte BDiB nun an die Berechnung gelangen. Und dies sogar in leserlicher Form. Es bietet sich an, einmal nachzuvollziehen, ob hier wirklich ein Skandal – gar Behördenversagen – vorliegt, oder sich die massive Steigerung auch anders erklären lässt.
Inhalt
Woher stammen die Zahlen?
- September 2019: Für einen Architektenwettbewerb gibt die Stadt Bad Driburg als Rahmenbedingung je Stockwerk 1,5 Mio Euro an – dabei wurde das Dachgeschoss nicht berücksichtigt. Gesamtkosten: 6 Mio Euro.
- Januar 2020: Baudezernent Martin Kölczer spricht von “ca. 1 Mio. Euro je Geschoss” (Bauausschuss 23.01.2020)
- Januar 2020: Der Haushaltsplan 2020 sieht ca. 4 Mio Euro für den Umbau der Eggelandklinik vor. Das Dachgeschoss wurde demnach vermutlich im Haushalt nicht berücksichtigt.
- Februar 2021: Erste Risse deuten sich an: Der Ansatz im Haushaltsplan 2021 für den Umbau hat sich plötzlich verdoppelt. Vorgesehen sind nunmehr ca. 8,5 Mio Euro statt 4 Mio Euro.
- März 2021: Die Sanierungskosten je Stockwerk betragen laut der städtischen Kostenschätzung nun ca. 2 Mio Euro je Stockwerk. Gesamtsanierungskosten: 10 Mio Euro.
Die Milchmädchenrechnungen des ehemaligen Baudezernenten
Man kennt es von Großbauprojekten: Es kommt immer teurer als erwartet. Das liegt zumeist an Problemen, die sich während der Bauarbeiten ergeben.
Bemerkenswert ist in diesem Fall jedoch, dass sich die Kosten um sagenhafte 250 % gesteigert haben bevor je ein Handwerker die ehemalige Klinik betreten hat. Die Kosten je Stockwerk haben sich dabei verdoppelt. Das ist nicht mehr durch Preissteigerungen oder kleinere Fehler erklärbar.
Größere Sanierungshindernisse (beispielsweise ein Schimmelbefall) sind in der Zwischenzeit auch nicht bekannt geworden.
Bei der Entscheidung, das Dachgeschoss in den früheren Sanierungskosten nicht zu berücksichtigen, kann jeder Energieberater nur den Kopf schütteln. Zumindest bei einer energetischen Sanierung wären Schimmelprobleme vorprogrammiert. Das nun berücksichtigte Dachgeschoss erklärt jedoch nur einen Teil der Erhöhung. Selbst ohne das Dachgeschoss wären 8 Mio Euro gegenüber den früheren 4 Mio Euro zu veranschlagen.
Der Unterschied kann also nur in der ursprünglichen Kostenberechnung liegen. Die nun vorliegende Kostenberechnung verwendet – scheinbar erstmalig – ein standardisiertes Verfahren zur Kostenschätzung. Was für ein großes Vorhaben kompliziert klingt, ist jedoch vergleichsweise simpel. Derart simpel, dass sich der Bürger tatsächlich fragen muss, wieso eine solche Berechnung nicht bereits vor langer Zeit gemacht wurde.
Für das Verfahren wird lediglich der Rauminhalt eines Stockwerks (Länge, Breite, Höhe) benötigt. Dieser Rauminhalt wird dann mit Standardwerten für die jeweilige Gebäudeart multipliziert. In diesem Fall 550,80 Euro je Kubikmeter Rauminhalt. Zusätzlich müssen noch Kostensteigerungen bis 2022 (4 % pro Jahr) sowie ein Umbauzuschlag von 20 % einberechnet werden.
Kurz: Ein relativ einfaches und standardisiertes Verfahren, das im Bauwesen auch üblich und bekannt ist. Es stellt sich umso mehr die Frage, welche Kennzahlen und Berechnungsverfahren die Kostenschätzungen unter ehemaligen Baudezernent und Geschäftsführer der damals gerade gegründeten Stadtentwicklungsgesellschaft Kölczer als Grundlage hatten. Die genauen Berechnungen, die zu den falschen Annahmen führten, sind leider aktuell nicht bekannt.
Fazit
Die Ursache für die Kostensteigerungen scheint fast ausschließlich auf fehlerhaften Berechnungen der Stadtverwaltung zu beruhen. Die verantwortliche Person ist inzwischen nicht mehr bei der Stadt Bad Driburg angestellt. Kölczer ist mittlerweile als Fachbereichsleiter der Stadtentwicklung in Detmold tätig.
Letztlich verantwortlich ist für alles in der Stadtverwaltung jedoch immer auch der Bürgermeister und damit der Leiter der Verwaltung.
Das blinde Vertrauen in die Berechnungen des ehemaligen Baudezernenten Martin Kölczer legt zumindest den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nahe. Bei den schwindelerregenden Summen hätte beispielsweise auch eine unabhängige, externe Prüfung der Schätzungen erfolgen können. Während für jede größere Planung externe Büros beauftragt werden, ist es hier für ein Jahrhundertprojekt der Stadt unterblieben.
Auch wurde die Arbeit des Baudezernenten offenbar nicht ausreichend innerhalb der Verwaltung geprüft. Die Fachexpertise, die die aktuelle Kostenschätzung erstellt hat, war bereits damals in der Verwaltung vorhanden.
Wieso sie nicht genutzt wurde: Unklar.
Die “Freude” wird erst dann aufkommen, wenn die im Baugebiet liegenden Heil-Quellen (Stahl-Quelle, Alte Stahl-Quelle, Beda-Quelle, Wiesen-Quelle, Druden-Quelle), von denen eine sogar direkt unter dem Hauptgebäude liegt, auch “ihr Recht” fordern und bei fachfremder Handhabung den tiefsten Punkt des Ortes, nämlich das Grundstück der ehemaligen Kurklinik Eggeland, mit einer nicht gewünschten Menge von Heilwasser überfluten. Also Vorsicht und vorher zuständiges BERGAMT fragen.