Ein Essay unseres Lesers Martin Blumenthal: Mit Vorsicht und einem Körnchen Salz¹ zu lesen!
Inhalt
Nun hat der politische Berg gekreißt, und ein Mäuslein ward geboren
Monatelang markierten, bemalten und zementierten die Mehrheitsparteien im Rat der Stadt und ihr Bürgermeister eine rote Linie, gemäß derer die Stadt für den Dienstleistungsvertrag mit dem Gräflichen Park (GP) nicht mehr als die Einkünfte aus dem Kurbeitrag (geschätzte 1,4 Mio. €/Jahr) bezahlen wolle, aber höchstens die 1,55 Mio. €, die durch die Preisfeststellung der Detmolder Regierung errechnet worden waren.
Nun sind diese Ratsherren und -Frauen eingeknickt und haben mit ihren Stimmen 1,56 Mio. € jährlich (= 130.000 € monatlich) bewilligt und mit zusätzlichen 300.000 € Investitionspauschale die rote Linie locker übersprungen. Summa summarum, genau die 1,86 Mio. €, die der Graf als Mindestbetrag gefordert hatte. Ratz fatz! Mal eben den Rekord-Schuldenhaushalt, der erst vor wenigen Tagen beschlossen wurde, um einen Batzen Schulden erhöht!
Womit Graf von Oeynhausen-Sierstorpff wohl die Ratsherrn und den Bürgermeister geködert … ähh … überzeugt hat? Wer weiß! Aber es ist ja nicht ihr Geld!
Wer bezahlt also, und wie?
Andeutungen in den bisherigen Stellungnahmen lassen es erahnen!
Die Grundstücks- und Immobilienpreise werden steigen.² Fein! Damit steigen auch Mieten und Grundsteuern. Auch die von der Stadt aufgenommenen Kredite müssen bedient und getilgt werden.
Wodurch? Durch Rücknahme freiwilliger Leistungen der Stadt?
Vielleicht!
Es wird künftig zwar weitere Luxusprojekte geben wie die schöne Bummelmeile Lange Straße, den schmucken Rathausplatz und die prächtige Brunnenallee. Aber in einem Teil der bevölkerungsdichten Außenbezirke, besonders der Südstadt, gammelt die Infrastruktur vor sich hin, Schiefe Bürgersteige, schadhafte Straßen … Und dafür wird es wohl so bald keine Mittel geben. Oder aber: die Kosten der Sanierung werden auf die Eigentümer der sanierten Straßen umgelegt. Und können die das bezahlen?
Davon ausgehend nun meine „Vision“ 2036, aber etwas anders als die gräfliche Vision 2030!
Die Entwicklung der kommenden Jahre
Innenstadt, Stadt und Dorf
In der Innenstadt nehmen zunächst die Leerstände weiter zu. Der „Speckgürtel“ von Neubauten hangaufwärts wird noch erweitert. Es wird der Moment kommen, an dem reiche Investoren die heruntergekommenen Innenstadt-Immobilien günstig aufkaufen, Störendes abreißen und teure Objekte hochziehen, die zwar nicht unbedingt ein harmonisches Stadtbild ergeben, aber mit allem Komfort ausgestattet sein werden. Es werden viele exklusive Boutiquen, Kunsthandwerkateliers und Nobelläden für Schickimicki entstehen, der für Normalbürger eher nicht erschwinglich ist.
Heime für reiche Senioren, Unternehmervillen, luxuriöse Herrenhäuser für Spitzenmanager und Banker, Luxusrestaurants werden aufblühen. Eine neue Bad Driburger Oberschicht wird sich hier ansiedeln oder einen Zweitwohnsitz errichten.
Die „Normalos“ werden in die weniger hübschen Immobilien der Vororte oder auf das Dorf ziehen, weil Bad Driburg immer teurer wird. Vielleicht bringt das mehr Steuereinnahmen für die Stadt. Vielleicht auch nicht, weil – Beispiel Facebook oder andere Großunternehmen – die Oberschicht ihre Steuern lieber woanders bezahlt. Denn in unserem Steuersystem werden zwar Bürger und Kleinbetriebe recht genau besteuert, aber die „Großen“ kennen Tausende Ausnahmetatbestände, die sie sich zunutze machen. Und wenn nicht? Beispiel: Wirecard, Cum-Ex,; die Politiker und Ämter sind da eher blind. Aus Angst um Arbeitsplätze!?
Das ist ganz so wie bei der Corona-Politik: Lufthansa, TUI etc, kassieren als „systemrelevante“ Unternehmen Milliardenhilfen. Der „kleine“ Gastronom oder Einzelhändler wartet … und wartet … und wartet.
Der Gräfliche Park
Ach ja! Bevor ich’s vergesse! Ausgangsthema ist ja der Gräfliche Park. Den betrifft diese Vision 2036 vor allem! Die Stadt darf also ab jetzt über 300.000 € Investitionspauschale/Jahr mitbestimmen. Das kostet die Arbeitszeit der Verwaltung, die Freizeit der ehrenamtlichen städtischen Politiker, die Ideen entwickeln und die von der Stadt bezahlt werden müssen. Und wem gehört das Ergebnis? Der gräflichen Familie! Kosten sozialisiert, Nutzen privatisiert!
2036 wird dann der GP visionär zum Luxus- und Freizeitpark ausgebaut und auf 180 ha vergrößert worden sein. Die Kurbeiträge werden in der Zwischenzeit mehrfach „angepasst“, der Eintritt in den GP ebenfalls, denn der hat ja jetzt viel mehr zu bieten.
Der Bürger wird dann nicht mehr in der Lage sein, den nördlichen Sachsenring zu erwandern, ohne Eintritt in den GP zu zahlen. Vielleicht sind bis dahin auch die zur Zeit noch unbebauten Hänge schon mit Villen und Luxusappartement-Häusern zubetoniert, da dank Klimawandel ohnehin das Baumsterben fortgeschritten, die Hänge nur mehr kahle Macchie sein werden, und Grund und Boden so doch wenigstens wirtschaftlich profitabel genutzt werden kann.
Im 43-64 ha-GP unten im Tal werden weiterhin die noch vorhandenen Baumgreise und neue Baumsetzlinge, die die Lücken füllen, mit Gräflichem Heilwasser (GH) aufgepäppelt. Bad Driburg ist dann DAS Luxusbad für Reiche, in dem zu wohnen sich normal Sterbliche nicht mehr leisten können.
Und der visionär aufgepeppte GP muss natürlich aufgrund seiner weltweiten Alleinstellung leider die Dienstleistungspauschale verdoppeln und die Eintrittspreise in den GP auch. Seit den Bundestagswahlen 2033 ist die Bundesrepublik dank Verfassungsreform keine parlamentarische Demokratie mehr, sondern eine viel effektiver agierende Plutokratie.³
Die inzwischen vom Grafen delegierten Bürgerschaftsabgeordneten brauchen dann auch nicht lange rumzudiskutieren. Sie werden die Erhöhung zum Wohl aller abnicken.
Anmerkungen:
¹ cum grano salis – für die überwiegend Latein sprechende Bevölkerung in OWL
² z.B. Westfalenblatt v. 31.3.2021 gibt Bürgermeister Burkhard Deppe wieder und spricht von „überragender Bedeutung … für die Gesundheits- und Immobilienwirtschaft in Bad Driburg“
³Die Plutokratie „Reichtumsherrschaft“ plútos „Reichtum“ und krateín „herrschen“ ist eine Herrschaftsform, in der Vermögen die entscheidende Voraussetzung für die Teilhabe an der Herrschaft ist, also die Herrschaft des Geldes.
Glückwunsch Herr Blumenthal, Sie sprechen mir aus der Seele.
mfg. Ingrid Klein