Brot und Spiele: Reality-Soap und Trash-TV in Pömbsen


Mehr Schein als Sein für die Quotenjagd

Bad Driburg / Pömbsen. „Panem et circenses“ – Brot und Unterhaltung im Zirkus erwartete das römische Volk von seinen Regierenden. Es interessierte sich nicht für Politik, ging nicht mehr zur Wahl oder nur, wenn die Politiker den Massen Billiggetreide oder Wagenrennen und andere Events boten. Die weniger Wohlhabenden, die Plebs, sollten damit wohl auch von Demos und Aufständen abgehalten werden. Eindrucksvoll inszenierte Großereignisse der Cäsaren wie etwa kostenlose Zirkus- und Gladiatorenspiele lockten große Zuschauermengen an. Wichtige politische oder gesellschaftliche Fragen rückten in den Hintergrund.

Das Phänomen ist zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht unbekannt. Vielleicht erinnern sich Leser an die Romanreihe „Die Tribute von Panem“ (The Hunger Games) von Suzanne Collins, die verfilmt wurde und als Online-Rollenspiel erschien. In Panem werden Jugendliche ausgelost, die in einem Trainingscenter gecoacht werden und sich in einer Freilichtarena bis auf den Tod bekämpfen müssen, bis einer als Sieger übrig bleibt. Die Spiele werden im Fernsehen und auf Leinwänden im ganzen Land übertragen, und die Bürger feiern sie als Fest und schließen Wetten ab.
Bei ihrer Jagd nach Quoten lassen sich die privaten Fernsehsender Formate einfallen, die ähnlich funktionieren wie die Spiele in Panem, nur gibt es keine Toten.

In der Reihe „Bauer sucht Frau“ agieren zärtliche Ziegenwirte, raubeinige Rinderwirte, schüchterne Schweinebauern und muntere Milchbauern mit eigenem Hof. Wenn die Spannung der Kuppel-Show bei den Zuschauern nachlässt, sucht auch schon einmal eine Bäuerin einen Mann, ein Bauer einen Mann oder eine Bäuerin eine Frau.
Unvergessen ist den Fans der immer noch ledige, singende Schäfer Heinrich.

Der Drehort unterhalb des Bergdorfes

Nun ist die Doku-Soap unserem beschaulichen Ortsteil Pömbsen bedenklich nahe gekommen. Eine blond bezopfte 31-Jährige, angeblich Single, Pferdewirtin, Hundezüchterin, Golferin, Fliegerin und Bio-Bäuerin mit Namen Denise, durfte seit Juli mit Hilfe und unter der Regie des Privatsenders RTL einen Partner suchen. Moderatorin Inka Bause kam für die Aufzeichnungen nach Pömbsen. Nils, Til und Sascha verbrachten eine Woche auf dem Pachthof und wurden von Denise auf Herz und Nieren geprüft: im Stall, beim Ausritt, auf dem Traktor, auf der Weide und im Pool.
Von ernsten Absichten ist die Rede, vom „Vulkan voller Schmetterlinge“ (NW 24.11.), von der Suche nach dem Traummann, der großen Liebe, aber auch vom Beuteschema, von Eifersucht, von Unstimmigkeiten und schließlich von üblen Gerüchten.

Am Wochenende bekannte Single Denise, dass sie bereits verheiratet war, geschieden ist und einen Sohn im Grundschulalter hat. Dann ließen Fotos auf einer Platform vermuten, dass sie heimlich einen der abgewiesenen Bewerber datet. Der Shitstorm in allen „sozialen“ Medien folgte auf dem Fuß. Doch auch Trash-TV hebt die Quote und ist dem Sender willkommen. Das Volk unterhält sich.


Pömbsen ist jedenfalls in aller Munde. In den sozialen Medien stellt sich das Bergdorf weiter unbeeindruckt vom Showgetümmel und gelassen dar, präsentiert seine Adventsfenster, seine Löschgruppe, die neue Bushaltestelle, die Lambachpumpe und den Zirkus am Bilster Berg.