Driburger und ihr Bad 1933 – 1945

Eine Zusammenfassung von Elisabeth Affani

„Daneben gibt [Bernhard] Brinkmöller in seinen Aufzeichnungen einem Teil des hiesigen Adels eine nicht geringe Mitschuld daran, daß die Nationalsozialisten endlich hier Fuß fassen konnten, indem Mitglieder einzelner Häuser durch ihr frühes Engagement für die NSDAP der Bevölkerung ein schlechtes Beispiel gaben.“ (S. 23)

Aus “Bilder einer westfälischen Kleinstadt” Peter Bonk

Die Familie Graf Oeynhausen-Sierstorpff spart Peter Bonk in seinem 1983 erschienenen Buch aus. Lediglich die Schwester Rabe Graf von Oeynhausen-Sierstorpffs, Guda Gräfin von Oeynhausen, nennt Bonk bei der Aufstellung der NSDAP-Ortsgruppe als Leiterin der „NS-Frauenschaft“ (S. 81).
Versammlungen, Schulungsabende usw. fanden oft im Parkkaffee (Parkcafé, Park-Café Schmidt) statt, Kundgebungen in größeren Sälen, etwa im Berliner Hof (Wiener Hof). NS-Frauen trafen sich bei Brand, HJ im Jugendheim. Im Kurhaus fanden vor allem Kundgebungen statt, vor dem Kurhaus endeten oft die Fackel- u.a. Züge.

Wiener Hof
Archiv: Meiners

1933 – 1938

Alfons Kukuk aus Neuenheerse verfasste zum „Tag von Potsdam“ am 21.03.1933 ein Gedicht. (S. 40)
„Führers Geburtstag“ am 20. April 1933 wurde gefeiert. Die Driburger Zeitung schrieb am 22.04.:
Die eigentliche Feier fand am Abend im Gräflichen Kursaal statt. […] Wohl selten mag der alte schöne Kursaal eine solche Veranstaltung gesehen haben.“ Der Saal war mit Fahnen und Hitlers Bild im Lorbeerkranz geschmückt. Laut Ortsgruppenleiter OGL Duhl sollte es eine schlichte Feier sein. Wichtig waren ihm die erfreulichen Spendensammlungen. Am Schluss des Berichts heißt es: „In froher Feststimmung blieben die Teilnehmer noch lange in den gastlichen Räumen des Kurhauses.“ (S. 41)

Der Gelsenkirchener Architekt Heinrich Göhl, Ende 1932 arbeitslos geworden, kam 1933 zum Reichsarbeitsdienst RAD nach Bad Driburg und berichtete u.a.: „Frühmorgens zogen wir singend durch die Stadt, um in den Badeanlagen unsere Arbeit aufzunehmen. Wir bauten die Hauptstraße aus, legten den Rosengarten an und zogen Entwässerungsgräben. Die Aufsicht hatte ein Fachmann von der Badeverwaltung.“ Die Männer freuten sich, dass sie Mineralwasser aus der Caspar-Heinrich-Quelle erhielten. Sie lauschten als „Denkmal des Arbeitsdienstlers“, mit dem Kinn auf dem Spatengriff, dem Kur-Frühkonzert, das mit einem Choral begann. (S. 163) Ein Foto von Arbeiten im Kurpark belegt den Bericht (S. 166).

Arbeiten im Kurpark
Quelle:”Bilder einer westfälischen Kleinstadt” Peter Bonk
Arbeitsdienstlage in Bad Driburg. Dieses Lager befand sich im ehemaligen Elektrizitätswerk in der Kapellenstraße. Quelle: “Bilder einer westfälischen Kleinstadt ” Peter Bonk

Der „Tag der nationalen Arbeit“ am 1. Mai wurde festlich begangen, auch die Schulen hatten teilzunehmen, die Schulleiter mussten reden, alle mussten singen. Die „Verbundenheit der werktätigen Menschen“ sollte gezeigt werden (S. 53). Der Festzug 1933 begann nach den Gottesdiensten am Marktplatz / Adolf-Hitler-Platz, wo ein Maibaum gepflanzt wurde, und endete am „Brunnenplatz“. Der Rundfunk übertrug aus Berlin. Abends zog ein Fackelzug durch die Stadt. Manche Organisationen traten am Jugendheim an der Bachstraße an, andere vor Finkeldey [Hindenburg-Platz]. (S. 48)
Die Driburger hatten wohl den „deutschen Gruß“ nicht ausgeführt und mussten in der Driburger Zeitung vom 07.08.1933 ermahnt werden.
Geschäftstüchtigkeit oder Schlitzohrigkeit? Hitlers Büste als Bonbonglas, SS-Werfpuppen aus Filz, Bonbons mit Reichsflagge oder Gummibälle mit Hakenkreuz wurden zum „Schutz der nationalen Symbole“ verboten.
Beim Fackelzug im November fehlte keine Gruppierung oder Institution mehr. (S.32)

Die Fahnenweihe am 24.09.1933 fand nachmittags vor dem „Kurplatz“ statt. Die PG, SA, SS und NSDAP traten am Marktplatz an, der gegen den Widerspruch von Wilhelm Weskamp und trotz der Minderheit der NSDAP-Ratsherren in Adolf-Hitler-Platz umbenannt worden war. Die Vereine waren vertreten sowie „Krieger- und Schützenvereine“ aus den Nachbarorten. Die Rede ist von hunderten von Zuschauern, die „unter den Klängen des Präsentiermarsches“ mitliefen.
„Vor der Trinkhalle, an der eine große Hakenkreuzfahne angebracht war, nahmen die Führer und Fahnen der Formationen Aufstellung.“ Die SS-Kapelle spielt, Driburger Sänger singen. OGL Duhl redete. Er hoffe, dass auch in Bad Driburg die Bewegung Fuß fasse.
Kreisleiter Dr. Heinrich Trost redete. Man werde ein Reich schaffen, „in dem es wohnen und friedlich leben kann“. (S. 30/31, Q: Driburger Zeitung 26.09.1933)

Im März 1934 beschwerte sich OGL Duhl darüber, dass längst nicht alle Driburger seinem Aufruf gefolgt waren und eine „Hitler-Dank-Plakette“ als Beitrag für die Winterhilfe gekauft hätten. Niemand dürfe sich ausschließen. „Der bisherige Verkauf hat bewiesen, daß noch viele sich außerhalb der großen Volksgemeinschaft stellen.“ (S. 85)

„Hitler-Dank-Plakette“
Quelle: Leipziger Münzhandlung

Ab 1934 musste zum 1. Mai geflaggt und Grünschmuck „aus den Staatsforsten“ angebracht werden. Bei der Maifeier 1937 wurde ein Maibaum auf dem Brunnenplatz gepflanzt.

Im Juni gab es „altes Volkstum der Parteiideologie“ (Bonk): die Sonnenwendfeiern. Auch dafür entwickelte die Partei einen Musterablaufplan.
„Die Einwohner und Kurgäste sind herzlich eingeladen und werden gebeten, recht zahlreich zu erscheinen“, heißt es für den 21. Juni 1934. (S. 55)
Wilhelm Weskamp berichtet darüber, dass ihn im August 1934 ein Arbeiter vom Rittergut beim Ortsgruppenleiter denunzierte. (S. 226)

OGL Duhl kritisierte laut Driburger Zeitung vom 29. März 1935, dass zur Kundgebung zu wenige Bürger erschienen waren. „Es seien eben immer dieselben, die es bequemer fänden, nichts vom Nationalsozialismus zu hören.
Der Redner Prof. Kötteritz „bemerkte, daß eigentlich in einer christlichen Gegend mehr Verständnis für den Nationalsozialismus herrschen müsse.“ (S. 88)
Die „Woche der westfälischen Hitlerjugend“ endete am 25. Mai 1935 mit einem „Werbeabend“ der „Gefolgschaft 18/281 der H.J.“ im „Gräflichen Kursaal“. Das „Gräfl. Kurorchester“ spielte „flotte Märsche“. (S. 119)

Zu Allerheiligen 1935 gab es nachmittags eine große Prozession zum Stellberg-Friedhof, „wo von Priesterhand die Ruhestätten unserer Verstorbenen gesegnet werden“ (Driburger Zeitung 31.10.1935). Vormittags aber, zur Gottesdienstzeit, mussten alle NSDAP-Gliederungen zum Kleinkaliberschießen erscheinen. (S. 53)
Für das Bad, die Brunnenstraße, den Steinbergstieg und die Ostenfeldmark war von der NSDAP-Ortsgruppe ein Blockleiter zuständig. (S. 83)
Mit der Zahl der Anwesenden bei der NSDAP-Mitgliederversammlung am 05.11.1935 war OGL Duhl dann zufrieden. (S. 89)
Am 20.11.1935 trafen sich „Ratsherren, Amtsälteste und Gemeinde des Kreises Höxter“ in der Aula des Missionshauses St. Xaver.
NSDAP-Kreisleiter Dr. Trost sagte: „Im heutigen Staate entscheiden nicht mehr Stand und Geburt, sondern einzig und allein Charakter und Leistung.“ (S. 99/100)

Die Wintersonnenwende wurde in Konkurrenz zu den Weihnachtsfeiern der Kirchen am 21., 22. oder 23. Dezember gefeiert. Vom Marktplatz / Adolf-Hitler-Platz aus marschierte man zur Iburg, die „alte germanische Kultstätte“ (S. 57), und entzündete wie „unsere niedersächsischen Vorfahren“ (NS-Volksblatt 21.12.1937) ein Feuer.

Die HJ-Spielschar Bochum veranstaltete am 01.09.1936 im Kursaal einen Heimabend. Dazu schreibt das NS Volksblatt: „Leider zeigten die Eltern der Kinder, die der HJ angehören, wenig Interesse an der Veranstaltung, da der Abend in der Hauptsache von Kurgästen besucht war.“ (S. 122)

Auf einer Parteiversammlung 1937 sprach der Gauinspektor Bergemann aus Gelsenkirchen über die „inneren Gegner des Nationalsozialismus“. Das NS Volksblatt berichtete am 03.03.1937. „Das sei einmal die kleine Gruppe derjenigen, die in Standes- und Klassendünkel das große Gemeinsame nicht sehen wollen.“ (S. 91)
Der Gedenktag 1937 für die „November-Märtyrer“ des Putsches vom 09.11.1923 endete abends im „Parkkaffee“ Schmidt. 1938 war der Wiener Hof ausgewählt. (S. 61)

Die „NS-Gemeinschaft“ „Kraft durch Freude“ richtete laut NS Volksblatt vom 14.11.1937 im „Saale des Kaffees Stute“ Sportkurse für Frauen und Kinder ein, und zwar „ ohne Unterschied des Standes“. (S. 92/93)

Im Zweiten Weltkrieg

Bonk erläutert: „Aber mit Beginn des Krieges tritt die Ideologie in den Hintergrund, und die Frauen und Männer in Bad Driburg folgten der alten preußischen Tugend, die die staatsbürgerliche Pflichterfüllung für Gott, das Vaterland und den Nächsten forderte.“

Am 17. Januar 1940 fand eine NSDAP-Großkundgebung „in den Kurlichtspielen“ statt. (S. 93)
Das Jubiläum (10 J.) der NSDAP-Ortsgruppe am 20.01.1940 wurde im Kursaal gefeiert. „Die gesamte Bevölkerung“ war dazu eingeladen. (S. 94)
Das NS Volksblatt berichtete am 17.04.1940 über eine Verpflichtungsfeier der HJ im Kursaal. (S. 129)

Am 19. April 1942, einem Sonntag, fand die Feier zu „Führers Geburtstag“ im Kursaal statt. Außer den üblichen Gästen und Beiträgen waren auch „viele Verwundete“ anwesend. (S. 45)

Das NS Volksblatt berichtete über eine Sitzung der NSDAP-Ortsgruppen Bad Driburg und Alhausen. Am 27.09.1942 fand im Kurhaus eine Feierstunde statt, bei der die 18-Jährigen aus der HJ und die 21-Jährigen aus dem BDM in die Partei aufgenommen wurden. OGL Duhl erinnerte an das Bekenntnis zum Nationalsozialismus und die Anwendung des „deutschen Grußes“. (S. 95)

Das NS Volksblatt schrieb am 01.04.1943 über eine HJ-Verpflichtungsfeier im Theater [Kurlichtspiele?]: „Es war verwunderlich, daß manche Eltern an ihm [dem „Ehrentag“] nicht teilnahmen.“ (S. 132)
Ende April 1943 (ohne Angabe des Veranstaltungsortes) beschwor OGL Duhl noch den Endsieg. (S. 46)

Die Ortsgruppen Bad Driburg und Alhausen trafen sich laut NS Volksblatt (eh. Driburger Zeitung) auch noch am „Tag der Machtergreifung“ 1944 zur Großkundgebung in den „Kurlichtspielen“. In Höxter sprach „Reichsredner Pg. Prinz zu Schaumburg-Lippe“. (S. 38)

Am 26.03.1944 fand die HJ-Verpflichtung der 14-Jährigen im Kursaal statt. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1926/27 neu in die Partei aufgenommen. (S. 135)
Am 26.04.1944 ist im NS-Volksblatt nur noch von einer „schlichten Feierstunde“ im Park-Café Schmidt die Rede. Bisher war stets „Park-Kaffee“ zu lesen. Durchhalteparolen standen im Vordergrund der Ansprachen. (S. 47)

Anfang 1945 wurde noch der Volkssturm mobilisiert, aber Ende März bombardierten die Alliierten Paderborn. Das Eggegebirge als „unüberwindliches Widerstandszentrum“ (S. 258) funktionierte nicht. Am 4. April 1945 war die Front bis zum Stellberg vorgerückt. Bis zum Abend wurde noch geschossen, dann waren die Amerikaner in der Stadt.
„Eine Stadtchronik dieser Zeit gibt es für Bad Driburg nicht.“ (S. 241)

Quelle:

Bonk, Peter: Bad Driburg 1933 – 1945. Bilder einer westfälischen Kleinstadt, Bad Driburg (Egeling) 1983

2 Gedanken zu „Driburger und ihr Bad 1933 – 1945“

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    je älter ich werde, je mehr interessiere ich mich dafür, wie meine Vorfahren gelebt haben. Wie war ihr tägliches Leben zur Existenzsicherung, wie waren die Vorgaben von Kirche und Staat.
    Nationalsozialismus, anfänglich verbreitete er Hoffnung auf ein besseres Leben, dann führte er in das Gegenteil zu Mord und Elend.
    Ich möchte das Buch von Herrn Bonk gerne lesen, kann man es noch kaufen oder zumindest mal ausleihen.
    015154804592
    M.f.G.

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  2. Hallo Elisabeth, es ist immer gut auf das dunkelste Kapitel unserer Geschichte hinzuweisen. Besonders auch mit Bezug zur eigenen Region. Nazis gibt es gerade auch bedingt durch unsere aufgeheizte Medienwelt verstärkt wieder. Tja, das ist Deutschland – zu viele geschichtsvergessene Mitbürger. Der Schoß ist weiterhin fruchtbar.
    Dr. Bonk hat beim Erscheinen des Buches wohl auch Stress mit einigen alten Driburgern gehabt. Gruß an Mahmoud. Bernd Kornek

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