Der Uhu bei Friedrich Wilhelm Weber
Gegen Hass und Hetze

Von Elisabeth Affani

Bad Driburg. In den „sozialen“ Medien sind leider oft Uhus unterwegs, unzufriedene, mürrische Zeitgenossen, die auch vor Hass und Hetze nicht haltmachen. Sie könnten von Friedrich Wilhelm Webers Uhu in seinem Werk „Dreizehnlinden“ noch dazulernen. Er lässt an nichts und niemandem ein gutes Haar. Er ist ein Neider, Nörgler, Neinsager, voller Hohn, bissiger Kritik und Menschenverachtung.

Der Uhu empfiehlt dem Dichter, keinen öden Plunder zu produzieren, keine Zeit und Papier zu verschwenden, sondern lieber seine eigene Haut zu pflegen, im Garten Rüben und auf dem Acker Gerste anzubauen. Der Poet, der die Welt erklären und sich eine Meinung bilden will, ist in seinen Uhu-Augen ein dummer Junge. Er träumt naiv von Freiheit und Gerechtigkeit, doch die Welt besteht aus Jagen und Gejagtwerden. In dieser Welt läuft man mit dem Mainstream, dem großen Haufen. Man verbreitet Hass und die Lust daran, anderen zu schaden.
Gelb vor Neid freut sich der Uhu, wenn zwei sich streiten. Mit den Federn, die sie sich ausreißen, polstert er sein Nest. Wenn er nichts zu essen hat, geht er eben zum Nachbarn und nimmt sich, was er braucht. Tugend und Moral, Güte und Humanität sind für ihn Gefühlsduseleien. Nur ein dummer Gimpel lebt und stirbt auf einem Ast.


Alle Menschen, ob sie Christen oder Heiden sind, verspottet der Uhu als blöde Toren. Der Glaube ist unnützer Ballast. Recht und Gerechtigkeit schafft man sich nur mit Waffen. Die schärfste Klaue bekommt das beste Stück.

„Jene Welt ist für die Katze, 

Diese Welt gehört der Eule.“


Die Heimat des Uhus ist dort, wo es ihm gutgeht, die wahre Freiheit sieht er da, wo er ohne Beschränkungen jagen und überleben kann. Ein Vaterland zu lieben ist die dümmste Liebe, wenn man dort unterdrückt, verfolgt und vertrieben wird. Als Oberuhu glaubt er nur an sich selbst.

„Morgen macht ihr euch, ihr Frommen

  Selbst das Recht zu atmen streitig.“

Struppig, verdrießlich und einsam grollt und schimpft der Uhu, verborgen in einer Felsspalte.
Dennoch: So will Friedrich Wilhelm Weber nicht leben, er will positiv denken, nicht auf seinen eigenen Willen verzichten, nicht im Tross der Macht laufen. Er will kein Materialist sein, der nur an den Segen von Geld und Macht glaubt. Er liebt die Natur, das Grottenheiligtum, in dem die blaue Blume der Romantik blüht.
Er kennt natürlich den technischen Fortschritt, auch wenn er noch ein Problem mit der Eisenbahn, den dampfbeschwingten Rossen, hat. Er hat die Kriege des 19. Jahrhunderts um die Nationalstaatbildung erlebt, die Gründerjahre, den Aufschwung, die reichen Jahre nach der Gründung des ersten und letzten deutschen Kaiserreichs 1871. Dessen Ende 1918 zu erleben blieb Weber erspart.


Der Arzt, Politiker und Dichter Weber warnt vor einem neuen Babel, in dem Geld und Macht den Glauben verdrängen. Er warnt vor dem Uhu.
Er glaubt an die Möglichkeit einer seelenfrohen, gotterlösten Welt. Zuletzt bittet er darum, für den armen Schreiber zu beten. Seine Heimat ist christlich. Ökumenisch.
„Helf‘ uns Gott den Weg zur Heimat / Aus dem Erdenelend finden.“

Titelbild: Uhu im Baum, Buchillustration aus „Dreizehnlinden“
Genau, Heinrich (1918)
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Infobox



Über Eulenvögel

Vogelkundige kennen den Begriff des Hassens. Manche Vögel versuchen mögliche Feinde, Eindringlinge oder Angreifer zu vertreiben, indem sie sich auf diese stürzen, sie direkt anfliegen oder attackieren. Eulen sind Ziel der Angriffe von Greifvögeln oder Krähen, die sich vor allem in Brutzeiten zu Gruppen zusammenschließen. Eulen jagen selbst überwiegend nachts Vögel, darunter auch Tauben oder Entenküken, und in Bodennähe Igel, Kaninchen, Mäuse, Schnecken oder Regenwürmer. Zur Jagdbeute der Uhus gehören außerdem andere Eulen wie der Waldkauz und die Waldohreule.
Nur Adler können einem ausgewachsenen Uhu gefährlich werden.


Lange galt der Uhu als Jagdschädling und Konkurrent der Jäger. Heute zählt er zu den streng geschützten Arten.
Im Alten Testament galt der Uhu laut Martin Luthers Übersetzung als unreines Tier, das nicht verzehrt werden durfte. Im Mittelalter wurden Eulen als Hexenvögel bezeichnet. Den Ruf des Uhus in der Nacht deutete man oft als böses Vorzeichen. In einem Märchen der Brüder Grimm erschreckt der „Schuhu“ ein ganzes Dorf. Bei Shakespeare ertönt der Ruf des Vogels der Nacht, als Macbeth den König ermordet. „Le Grand-duc“ – Der Großherzog – nannte Edouard Manet sein Gemälde eines toten Uhus. Im harmlosen Kinderlied „Die Vogelhochzeit“ bringt der Uhu der Braut die Hochzeitsschuhe.
In einigen Ländern der Erde und sogar in der Lausitz galt der Uhu als Glücksbringer.
Wir haben den Aberglauben abgelegt und sehen die Eule als weisen Vogel, etwa als Leseeule. Er erscheint heute als Symbol für Wissenschaft und Technik.

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