Von Bremerhaven nach New York (Teil 2)
Elisabeth Affani
Bad Driburg. Childe Harold heißt das amerikanische Schiff, das am 5. April 1852 in Bremerhaven ablegt. Das Ziel ist New York. Die Überfahrt dauert 48 Tage. Der Kapitän heißt McHenry, er ist für 398 Passagiere verantwortlich. Angeblich sorgt er für gute Kost, eine gute Behandlung und eine ziemlich gute Reise.
Die New Yorker Auswanderer-Zeitung berichtet von monatlich 30.000 Einwanderern, von denen mindestens die Hälfte aus erwachsenen, arbeitsfähigen Männern besteht. Die Amerikaner begrüßen alle, „Weib und Kind und Mann“, als wertvolle Neubürger. „Ist es noch ein Wunder, daß Amerika blüht?“, fragt der Autor. Er versteht nicht, warum es „Natives“ gibt, die die Einwanderung scheel ansehen.

Unter den Passagieren des Dreimasters befindet sich Konstanz Weber. „Mit westfälischer Tinte“ beschreibt er in einem Brief an seinen Bruder Friedrich Wilhelm die Überfahrt und seine Tränen, weil „eine Macht von Ursachen“ ihn aus seinem Vaterland vertrieben hat. Den Betrieb im Hafen empfindet er als chaotisch, bevor alle Passagiere an Bord sind und Ruhe einkehrt. Aus der Wesermündung geht es an Norderney, an Helgoland, an der englischen und französischen Küste vorbei.
Als Dolmetscher kann Konstanz Weber sprachliche Barrieren zwischen den Passagieren und der Besatzung überwinden helfen. Als Priester kann er zwei Kinder taufen und für drei Gestorbene die Trauerfeier gestalten.
Als der eigene Proviant zur Neige geht, verteilt der sparsame Steuermann weißen und schwarzen Schiffszwieback, „so hart, daß es den Untergang der Welt überdauern kann“, Brötchen ohne Mehl, schlechten Kaffee oder Tee und später „faul gewordenes, stinkendes Trinkwasser“. Ab und zu gibt es übel zubereitete Kartoffeln, Heringe, Bohnen, Graupen, Sauerkraut, Erbsen und Reissuppe. Als die Fahrt zu lange dauert und Passagiere hungrig bleiben, kommt es zu einer Meuterei mit Plünderungen. Konstanz Weber übersetzt und schlichtet, er beruhigt den Kapitän, der Waffengewalt anwenden will.
Das Unterhaltungsprogramm enthält einen Ball auf dem Verdeck und heimatliche Gesänge im Mondschein, eine Walpurgisfeier, Andachten. Konstanz Weber sucht Trost im Gebet, mit Trauer denkt er an die Kommunion in Grönebach, die er verpasst.
Der Atlantik bietet Sturm und Flaute, Gewitter, Orkan und turmhohe Wellen. In Höhe der Neufundländer Sandbänke wird es bitterkalt. Den Männern geht der Tabak aus, sie behelfen sich mit gedörrtem Tee, Seegras aus den Matratzen und getrocknetem Kaffee.
Das erwartete Land des Friedens erreicht Konstanz Weber am 27. Mai 1852, nachts um 2 Uhr 27 deutscher Zeit. Er verbrachte 51 Tage auf dem Schiff.
Quelle:
Kuhne, Wilhelm: Sauerländer Gottesmänner. Nicht nur für die Seelen da …, Jahrbuch des HSK 2007
Titelbild: E. Affani
Leider gibt es kein Bild von Konstanz Weber.