Missachtet die Stadt das Gebot der Gleich-behandlung?

Kritik an der Grundsteuer-Politik

Elisabeth Affani

Bad Driburg. „Spare in der Zeit, so hast du in der Not“, mahnten unsere Altvorderen. Wir alle müssen haushalten, einen Haushalt führen, ob als Single, Paar oder ganz besonders in der Familie. Gründliche führen ein Haushaltsbuch, weil sie jederzeit einen Überblick über ihre Einnahmen und Ausgaben behalten wollen und eine positive Bilanz anstreben. Es geht nicht nur um das Sparen, sondern auch um Rücklagen für Sonderausgaben oder schlechtere Zeiten.

Die Stadt, die Kommune als Gemeinschaft aller Bürger, führt ebenfalls einen Haushalt. Sie muss Einnahmen haben, um Ausgaben zu bestreiten. Sie muss mit dem Geld, das sie als Steuerzahlungen von den Bürgern erhält, wirtschaftlich umgehen. Die Bilanz muss stimmen. Die Einnahmen dürfen nicht geringer sein als die Ausgaben. Das ist die Theorie und gilt auch umgekehrt.

Eine sichere Einnahmequelle der Stadt ist die Grundsteuer. Bad Driburg im Blick behandelte das Thema mehrfach. Jedes Jahr gibt es die Debatte über den Haushalt, zunächst in den Ausschüssen, dann im Rat, bevor er verabschiedet wird.

v.l. Nadine Nolte, Thomas Arens und Stefan Krämer

Nur in der Haushaltsrede von Nadine Nolte von der SPD-Ratsfraktion wurde die Grundsteuer thematisiert. Sie bemängelte, dass den Ratsmitgliedern nicht ausreichend Zeit für eine Debatte über die möglichen Auswirkungen auf die Bürger gewährt worden sei. Im Dezember 2024 seien die Beschlüsse ohne Debatte „durchgewunken“ worden.
Man hätte sich für das Thema „Grundsteuer“ einfach mehr Zeit nehmen und einige Änderungen der Hebesätze und die entsprechenden Auswirkungen „durchspielen“ können. Es hätte z.B. die Möglichkeit einer differenzierten Grundsteuer gegeben. Es hätte die Möglichkeit der Einführung einer Grundsteuer C für unbebaute, aber baureife Grundstücke gegeben. Damit hätte die Stadt Baulücken schließen können. In Neubaugebieten würden weniger Flächen verbraucht.
Laut Sitzungsprotokoll vom 16.12.2024 wies auch Thomas Arens von der SPD-Fraktion auf die Möglichkeit einer Grundsteuer C hin.


Stefan Krämer, früheres Ratsmitglied der ÖDP, begründet, warum Besitzer von Wohngrundstücken mehrbelastet würden, während Nichtwohngrundstücke, speziell Gewerbegrundstücke, entlastet würden. Bei der Neubewertung fließe nun auch der Bodenrichtwert mit ein. Dieser liege bei Gewerbegrundstücken deutlich niedriger als bei Wohngrundstücken.
Das Land NRW habe diese Ungleichbehandlung erkannt und daher differenzierte Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngrundstücke für eine Aufkommensneutralität veröffentlicht.

Für Bad Driburg betrügen diese: 635 für Wohngrundstücke und 1205 für Nichtwohngrundstücke, wobei der Durchschnittswert 755 betrage.
Die Nichtwohngrundstücke zahlten also bei 755 insgesamt nur 62% des aufkommensneutralen Hebesatzes von 1205.
Die Wohngrundstücke subventionierten also die Gewerbegrundstücke, insbesondere auch die Kliniken und das Kurparkhotel.
Stefan Krämer erhebt den Vorwurf, dass die Ratsvorlage zur Festsetzung der Hebesätze nicht umfassend genug informiere. Die Begründung des Bürgermeisters, die differenzierten Hebesätze nicht anzuwenden, sei sehr dünn und nicht nachvollziehbar.
Dabei unterstütze das Ministerium der Finanzen die Kommunen im Land bei der rechtssicheren Umsetzung der Grundsteuer und der möglichen Nutzung von differenzierten Hebesätzen.

Auszug Protokoll (klicken)

Die Verwaltung muss per Gesetz die Gleichbehandlung aller Grundbesitzer wahren. Im Protokoll vom 16.12.2024 heißt es zur möglichen Einführung der Grundsteuer C: „Der Bürgermeister weist auf die vergangenen Beratungen hin. Möglicherweise sei dies erneut ein Thema für die nächste Kommunalwahlperiode.“
Die Stadt Bad Driburg hat laut Protokoll erkannt, dass sich „durchaus Belastungsverschiebungen zu Ungunsten der Wohngrundstücke im Bereich der Grundsteuer B ergeben.“ Es habe viele Gespräche, Eingaben und Diskussionen zur Frage der Harmonisierung dieses Ungleichgewichtes mit dem Land gegeben.
Die Wahl der Hebesätze, differenziert oder einheitlich, sei Sache der Städte, und die hätten sich im Kreis Höxter geeinigt und verzichteten „aufgrund weiterer Prüfungen und Risikoabwägungen“ auf eine Differenzierung. Diese sei laut eines Gutachtens „rechtsunsicher“.

Schon im Haupt- und Finanzausschuss hatten der erste Beigeordnete Michael Scholle und Amtsleiter André Jenderney auf die Anfrage der SPD-Stadtverordneten Nadine Nolte erklärt, dass der Hebesatz aufkommensneutral vorgeschlagen werde. Eine Vergleichsberechnung werde zur Ratssitzung vorgelegt. Die Einführung der Grundsteuer C sei bereits politisch diskutiert und abgelehnt worden.
Bürgermeister Burkhard Deppe erklärte laut Protokoll vom 9.12.2024, dass bei den Grundbesitzern, die mit der neuen Regelung mehr zahlen müssten, das Finanzamt einen höheren Wert festgestellt habe. Dies werde nicht durch die Stadt Bad Driburg beeinflusst.
Laut Stadtkämmerer Franz-Josef Koch sind die Abweichungen bei Mietwohnungen deutlich geringer. Die Stadt könne sich auf Grund der angespannten Haushaltslage keinesfalls einen niedrigeren Wert als den aufkommensneutralen leisten.

Die Begründung im Protokoll der Ratssitzung erfolgt im schönsten Juristendeutsch, eine Wonne für jeden Deutschlehrer:
„Das Landesgutachten ging im Falle einer gleichheitswidrigen Hebesatzdifferenzierung von der Nichtigkeit beider Hebesätze aus. Bereits bestandskräftige Bescheide würden – bis auf ein Vollstreckungshindernis für noch nicht vollzogene Bescheide – von der Satzungsnichtigkeit zwar nicht berührt. Umgekehrt könne die Gemeinde bestandskräftige Bescheide – insbesondere für steuerlich privilegierte Wohngrundstücke – aber auch nicht rückwirkend ersetzen, so dass es bei der ursprünglichen Privilegierung bestandskräftiger Fälle bliebe, ohne die mit einer Neubescheidung streitbefangener Nichtwohngrundstücke auf Basis einer rückwirkenden Satzungskorrektur zusammenhängenden Steuerverluste durch eine Neujustierung beider Hebesätze (namentlich auch einer Erhöhung des Hebesatzes für
Wohngrundstücke) ausgleichen zu können. Im Ergebnis verbliebe der Gemeinde damit
ein Steuerausfall in ungewisser Höhe.“
Der letzte Satz ist erstaunlich verständlich formuliert.
Im Nachsatz kündigt der Bürgermeister an, dass man die weitere Entwicklung abwarten wolle und „ggfls. in den nächsten Jahren dann doch differenzierte Grundsteuerhebesätze“ eingeführt würden.


Bei der Abstimmung gab es 24 Zustimmungen, 7 Gegenstimmen und 1 Enthaltung.

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