Landgericht Paderborn: Presseerklärung zum Verfahren 2 O 137/24 am 4. Oktober 2024

Eine unendliche Geschichte

Elisabeth Affani

Bad Driburg / Paderborn. Die Begründung des Urteils im Rechtsstreit zwischen der Stadt und Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff liegt Bad Driburg im Blick nun vor.
In der Presseerklärung des Landgerichts zum „Urkundenprozess“ heißt es, dass das Urteil ein Vorbehaltsurteil sei und die Stadt „unter anderem zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 153.781,25 € verurteilt“ werde.
„Der Beklagten wurde die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorbehalten.“

Fürstbischof Ferdinand von Fürstenberg und
Caspar Heinrich von Sierstorpff
Quelle: Wikipedia

Die Begründung greift zu Beginn weit in die Geschichte zurück, bis zu einem Vertrag, den der „Recht[s]vorgänger des Klägers“ mit dem „damaligen Landesherrn des Hochstifts Paderborn mit Blick auf die Gründung des noch heute bestehenden und vom Kläger betriebenen Bades und Heil- und Mineralwasserabfüllbetriebs in Bad Driburg“ schloss. In diesem Vertrag habe die Familie des Klägers das besondere Privileg erhalten, alle Quellen, die im Umkreis von „einer Stunde von Bad Driburg liegen und die in der Folge noch gefunden und entdeckt werden“, exklusiv zu nutzen.
Die Privilegien seien später „teilweise und anlassbezogen“ rechtlich abgesichert worden. Auf Grundstücken, die nicht zum Eigentum der von Oeynhausen-Sierstorpffs gehörten, seien Grunddienstbarkeiten bestellt worden, „die das Verbot von Bohrungen und sonstigen Handlungen zur Erschließung von Mineralquellen beinhalteten“. Erwähnt wird ein Verkauf verschiedener Flurstücke im Jahr 1953 an die Stadt bzw. deren Rechtsvorgänger.
Nun hat das Gericht ins Grundbuch geschaut.

„Hinsichtlich der Grundstücke im Grundbuch von Bad Driburg, Blatt 1981, Abteilung I, zu den laufenden Nummern 18, 19, 20, 23, 24, 25, 26, 27 und 29 wurden derartige Grunddienstbarkeiten eingetragen, nicht jedoch zu dem Grundstück mit der laufenden Nummer 28, auf welchem sich die Wiesenquelle befindet, mittlerweile Teil des Grundstücks mit der laufenden Nummer 31 ist und im Eigentum der Beklagten steht. Das Grundstück mit der laufenden Nummer 29 wurde nicht an die Beklagte übertragen.“

Hier der “Pavillon” in dessen unmittelbarer Nähe sich die Wiesenquelle befindet.  Damals Flurstück 28 – heute 31.
Foto: Alexander Bieseke
Im Inneren des Pavillons führt eine Treppe hinunter.
Foto: Alexander Bieseke

Die Stadt, namentlich der Bürgermeister und sein Beigeordneter, hätte zweifelsfrei feststellen müssen, „auf welchem Flurstück sich die Wiesenquelle geologisch befunden habe“, bevor es zum Vertragsabschluss kam.
„Wer jedoch – so die Kammer weiter – trotz bestehender Zweifel eine Willenserklärung abgibt, übernehme das Risiko einer Fehleinschätzung.“ Diese lag darin, dass die Stadt annahm, der Vertrag würde nichtig, wenn sie nicht zahlte. Sie hätte „ihre Anfechtungserklärung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) im Sinne des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB“ rechtswirksam abgeben müssen.

Der Vertrag zwischen Stadt und Badbetreiber vom 30. März 2021 mit einer Laufzeit von 15 Jahren und einer Zahlung von 50.000 Euro jährlich war also unter falschen Voraussetzungen geschlossen worden. Es gab keine Dienstbarkeit, also auch keine Gegenleistung, also musste der Vertrag aufgehoben, die „Willenserklärung“ widerrufen werden.
Das geschah laut Mitteilung des Gerichts am 20. Mai 2021 und damit zu spät.

Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff besteht auf der Erfüllung der vertraglichen Regelung und der Zahlung in Höhe von 153.781,25 € für die Jahre 2021 – 2023 und weiteren Zahlungen bis zum Ende der Vertragslaufzeit.
Es ist sein Recht.


Die Verfasserin dieser Zeilen sieht es als Glück an, dass das Urteil sich nicht auf die Zeit des arabischen Weltreisenden Ibrahim ibn Ahmad al Tartuschin im Jahre 973 bezieht, der laut der alten Stadtgeschichte von 1966 damals angeblich eine wichtige Quelle im Osten Driburgs fand. Da war das Kurgebiet noch Sumpfgelände. Erst viel später ist von Quellwundern, vom Quellenkult und Quellheiligtümern die Rede, die in die Kapitalisierung des Wassers mündete.

Caspar Heinrich von Sierstorpff bat im Jahr 1789 den Rat der Stadt Driburg, ihm das Gelände um den Luisenbrunnen zu verkaufen. Der Rat antwortete ihm in einem Schreiben mit der Anrede „Hoch und wohlgeborener gnädiger Herr!“ und dem Unterzeichner „Ex mandato senatus F. Stenner“, dass der „Lausebrunnen“ benötigt werde, damit die Schweine sich „darin kühlen könnten“. In der Stadtgeschichte kommentiert Theodor Simon: „Die Kurzsichtigkeit und Eigenwilligkeit der Bürger von Driburg möge man aus der Antwort ersehen.“ Der Autor weist auf die „heutige enge Zusammenarbeit zwischen Stadt und Bad“ hin und konstatiert: „Caspar Heinrich wußte die Verbesserung der Beziehungen durch gelegentliche finanzielle Zuwendungen geschickt zu fördern.“ O tempora, o mores!


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