Gegen das Vergessen

Doris Dietrich

Bad Driburg. Der 27. Januar ist seit 1996 der bundesweite Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Er bezieht sich auf den 27. Januar 1945, dem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee.

Die Namen Blumenberg, Levy, Meyer oder Schiff sind untrennbar mit dem Leben der jüdischen Bevölkerung in Bad Driburg verbunden. An ihr Schicksal wird an mehreren Orten erinnert. Die Gedenkstele in der Langen Straße 68 am ehemaligen Haus der Familie Schiff und auf dem Jüdischen Friedhof am Schirrmannweg mit seinem Gedenkstein sind Stätten der besonderen Erinnerung an diese Menschen. Zu ihnen gehörten Erna und Fritz Levy, die gegenüber der St. Peter und Paul Kirche mit ihrer Tochter Lotte wohnten. Erna und Fritz wurden am 30. März 1942 deportiert. Ihr genaues Todesdatum steht nicht fest. Lotte Levy emigrierte 1937 in die USA und ließ sich in Baltimore nieder. Im hohen Alter von 104 Jahren starb sie 2015. Stets interessierte sie sich für ihre Geburtsstadt Driburg. Als sie von der Dokumentation „Jüdische Bürger in Bad Driburg 1900 – 1945“ (Karl Brinkmöller) erfuhr, war sie sehr dankbar, dass das Schicksal der Familien Levy und aller jüdischen Driburger festgehalten wurde. Nachdem sie das Buch gelesen hatte, schrieb sie einen Danke-Brief an die Stadt Bad Driburg. Da war „Lotte“ 86 Jahre alt und noch sehr rüstig.

BDiB war intensiv auf der Suche nach dem vollständigen Originalbrief, die im März 2023 erfolgreich war. Historiker und Archivar Franz Meyer vom Archiv Marienmünster kam diesem Brief auf die Spur. Er kümmert sich um die Sichtung der Schriftstücke von Karl Brinkmöller. In diesen Unterlagen hat er den Brief von Lotte Summers tatsächlich auch gefunden.

Brief der Charlotte Summers (USA) an Karl Brinkmöller (Bad Driburg)

Brief Lotte Summers an Karl Brinkmöller Teil 1
Brief Teil 2
Quelle: Archiv Marienmünster

Mrs. Henry Summers – 300 Church Street – Baltimore, Maryland 21225                                July 22. [19]97

                                     

Lieber Herr Brinkmöller.

Diese Woche erhielt ich Ihr Buch. Zuerst möchte ich Ihnen viel, viel danken für die unglaubliche Arbeit + Bemühungen, die Sie in das Werk hineinzogen. Natürlich haben die Erinnerungen mich sehr traurig gemacht. Nicht nur der Tod der durch die Nazis verschlagenden, aber auch viele von meinen Freunden, Verwandten, die bis jetzt verstorben sind. Jetzt bin ich schon 86 rüstig Jahre alt und meine ganze Jugend kam wieder zurück. Die alte Stadt ist mir wieder zum Leben gekommen. Ich kann Ihnen gar nicht beschreiben wie gerührt ich war, als ich das Buch durch meine Tränen las. Wenigstens einige von meinen Freunden + Bekannten überlebte ich noch. Anliegend ein Check für 500 [Dollar] und die Adresse von dem Holocaust Museum in Washington. Wenn es möglich wäre, schicken Sie bitte ein Buch nach dort. 

Noch einmal herzlichen Dank

und beste Grüsse an Ihre Familie

Ihre Charlotte Summers

Karl Brinkmöller hat sich als Zeitzeuge fast sein ganzes Leben dafür eingesetzt, dass das Andenken an die jüdischen Bürger bewahrt wird. „Sie lebten unter uns. Sie sollten nicht vergessen werden“, äußerte der im Februar 2017 verstorbene Karl Brinkmöller.

Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass im November 2022 Kontakt zum Enkel von Charlotte „Lotte“ Summers hergestellt werden konnte. Ihr Enkel Daniel Schwarz lebt in Maryland und berichtete über seine Großmutter, dass sie sehr aktiv, rüstig und geistig fit war.

Gedenkstein auf dem Jüdischen Friedhof in Bad Driburg

2 Gedanken zu „Gegen das Vergessen“

  1. Vor Karl Brinkmöller kann man sich nur verneigen. Was für ein Lebenswerk! Und wer hätte gedacht, dass die Erinnerung an diese furchtbare Zeit im Jahr 2024 so nötig ist.
    GROSSEN DANK BDiB für diese Recherche und Ihren entschiedenen Einsatz gegen das Vergessen!!! Karl Brinkmöller hätte sich so sehr darüber gefreut!

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