Krisenmodus – Wort des Jahres 2023

Doris Dietrich

Bad Driburg/Wiesbaden. Die Wörter des Jahres 2023 wurden von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) am 8. Dezember 2023 um 10.00 Uhr bekannt gegeben. Die öffentliche Bekanntgabe erfolgte im Hof der Zentrale der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden.

 

Die Wörter des Jahres 2023

1.     Krisenmodus

2.     Antisemitismus

3.     leseunfähig

4.     KI-Boom

5.     Ampelzoff

6.     hybride Kriegsführung

7.     Migrationsbremse

8.     Milliardenloch

9.     Teilzeitgesellschaft

10. Kussskandal

 

Das Wort des Jahres 2023 ist Krisenmodus. Diese Entscheidung traf eine Jury der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden.  Krisen gab es schon immer. Aber in diesem Jahr scheinen die Krisen und ihre Bewältigung zu kulminieren. Um einen Satz des Vizekanzlers zu modifizieren: Wir sind umzingelt von Krisen. Noch nicht bewältigte Krisen wie Klimawandel, der Russland-Ukraine-Krieg oder die Energiekrise werden von neuen Krisen eingeholt. Nahostkrieg, Inflation und Schuldenkrise kamen nun hinzu und auch die Bildungskrise spitzte sich zu. Der Ausnahmezustand ist längst zum Dauerzustand geworden. Gefühle wie Unsicherheit, Ängste, Wut, Hilflosigkeit und Ohnmacht prägen den Alltag vieler Menschen. Zwischen Apathie und Alarmismus zu einem angemessenen Umgang mit den andauernden Ausnahmesituationen zu finden, fällt schwer.

Antisemitismus (Platz 2) ist hierzulande durchaus kein neues Phänomen; er existierte lange vor dem Nationalsozialismus und ist auch nach dem Zweiten Weltkrieg nie ausgestorben. Spätestens der Angriff der islamistischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 offenbarte aber, dass es in Deutschland nicht nur rechts-, sondern auch linksradikalen Antisemitismus gibt. Ebenso trat eine islamistisch geprägte und in Teilen der muslimischen Bevölkerung wahrnehmbare Judenfeindlichkeit deutlich zutage. Mit dem Slogan »Nie wieder ist jetzt!« zeigen dagegen viele Menschen Flagge gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.

Um die Lesefähigkeit der Bevölkerung ist es nicht gut bestellt – die Schulschließungen während der Pandemie und die Deutschkenntnisse von Migrantinnen und Migranten dürften die Situation noch verschlimmert haben. In jüngsten Studien erfüllen bis zu 31 Prozent der Viertklässler nicht die Mindeststandards beim Lesen. Das Adjektiv leseunfähig (Platz 3) bezieht sich jedoch darüber hinaus auch auf das Verstehen komplexerer Texte, das offenbar immer mehr Menschen Schwierigkeiten bereitet, und ist ein Verweis auf eine grundlegende Bildungsmisere in Deutschland.

Die rasanten Fortschritte in der Künstlichen Intelligenz (KI) bergen Chancen und Risiken. Der KI-Boom (Platz 4) leitet eine Umwälzung in allen Bereichen ein: in der Forschung und im Gesundheitswesen (z. B. Krebsforschung), in der Fertigungs- und Materialtechnologie, in der Verkehrssicherheit und -planung u. a.  Auf der anderen Seite werden auch Gefahren erkennbar, etwa für Arbeitsplätze und auch für das Klima. So könnte in naher Zukunft, Berechnungen zufolge, der Energieverbrauch der weltweiten KI-Systeme auf mehr als 80 Terrawattstunden pro Jahr ansteigen – was dem Strombedarf von Ländern wie den Niederlanden, Schweden oder Argentinien entspricht.

Die Regierungskoalition aus SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen, nach den drei Parteienfarben gemeinhin als Ampelkoalition bezeichnet, trug 2023 ihre Kontroversen um politische Positionen immer wieder öffentlich aus. Der Ampelzoff (Platz 5) drehte sich um Fragen der Wirtschafts-, Klimaschutz-, Sozial- und Migrationspolitik und führte bei Opposition und Medien wiederholt zu der Frage nach der Regierungsfähigkeit der Koalition.


Infobox


Seit 1977 küren wir regelmäßig Wörter und Wendungen, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben. Aus einer Sammlung von mehreren tausend Belegen aus verschiedenen Medien und Einsendungen von Außenstehenden wählt die Jury, die sich aus dem Hauptvorstand der Gesellschaft sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zusammensetzt, kurz vor Jahresende zehn Wörter, die die öffentliche Diskussion dominiert und ein Jahr wesentlich geprägt haben.

Für die Auswahl der Wörter des Jahres entscheidend ist dabei nicht die Häufigkeit eines Ausdrucks, sondern vielmehr seine Signifikanz und Popularität: Die Liste trifft den sprachlichen Nerv des sich dem Ende neigenden Jahres und stellt auf ihre Weise einen Beitrag zur Zeitgeschichte dar. Die ausgewählten Wörter und Wendungen sind jedoch mit keinerlei Wertung oder Empfehlung verbunden.

 

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