Wer war „Lotte“ Levy?

Doris Dietrich

Bad Driburg. Der Familienname Levy ist untrennbar mit dem Leben der jüdischen Bürger in Bad Driburg verbunden. Ihr Schicksal soll niemals vergessen werden. Sowohl auf dem jüdischen Friedhof in Bad Driburg als auch an der Gedenkstele in der Langen Straße sind die Namen der jüdischen Mitbürger enthalten, die auf grausame Weise ihr Leben verloren haben. Zu ihnen gehörten Erna Levy (geb. Goldschmidt) und ihr Mann Fritz Levy. Er wurde am 27. September 1881 in Driburg geboren. Beide wohnten gegenüber der Kirche St. Peter und Paul. Sie und weitere Juden wurden am 30. März 1942 nach Warschau deportiert. Ihr genaues Todesdatum steht nicht fest.

Das Wohnhaus gegenüber St. Peter und Paul
Die ehemalige Volksschule
Die einstige Synagoge in der Schulstraße
Michaels-Gymnasium der Augustiner-Chorfrauen in Paderborn

Ihre Tochter Charlotte Levy wurde am 16. Juni 1911 in Driburg geboren. Alle nannten sie „Lotte“. Sie besuchte vier Jahre die Katholische Volksschule in der Schulstraße und danach die Städtische Rektoratsschule. Dann lernte sie im St. Michaels-Gymnasium der Augustiner-Chorfrauen in Paderborn. 1929 erhielt „Lotte“ ihr Abitur. In Köln, München und Münster studierte sie Jura. Schon 1933 durfte sie kein Examen mehr ablegen, weil sie Jüdin war und musste deshalb die Universität verlassen. Sie zog nach Hamburg, wo sie als Haushaltshilfe ihren Lebensunterhalt verdiente. Sie emigrierte 1937 an Bord des Schiffes „Gerolstein“ über Antwerpen nach New York. Danach ließ sie sich in Baltimore/Maryland nieder. Ihr Ehemann Dr. Henry (Heinz) Summers verstarb 1975 nach einem Herzinfarkt. Sie starb am 29. September 2015 im hohen Alter von 104 Jahren in Baltimore. Zu ihrer Familie gehören eine Tochter, zwei Enkel und fünf Urenkel.

Charlotte Summers, geborene Levy, genannt Lotte interessierte sich sehr für die Vorgänge in ihrer alten Heimatstadt. Als sie von dem Vorhaben für eine Gedenkstele erfuhr, schickte sie sofort einen Scheck. Sie wollte sich an den Kosten beteiligen und war glücklich darüber, dass Bad Driburg die Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Mitbürger und ihre Eltern wachhielt. Sehr gefreut hat sie sich auch darüber, dass in der Dokumentation „Jüdische Bürger in Bad Driburg 1900 – 1945“ die Schicksale der Familien Levy und aller jüdischen Driburger festgehalten wurden. Nachdem sie das Buch gelesen hatte, schrieb sie einen Brief an die Stadt Bad Driburg. Da war „Lotte“ 86 Jahre alt und noch sehr rüstig.

Charlotte Summers, geb. Levy ihr 104. Geburtstag

„Zuerst möchte ich viel, viel danken für die unglaubliche Arbeit und Bemühungen, die Sie in das Buch hineingelegt haben. Natürlich haben mich die Erinnerungen sehr traurig gemacht. Nicht nur der Tod der von den Nazis Ermordeten. Auch der Tod vieler von meinen Freunden und Verwandten, die bis jetzt verstorben sind, hat mich traurig gemacht. Jetzt bin ich schon 86 Jahre alt und meine ganze Jugend kam wieder zurück, als ich das Buch in den Händen hielt. Die alte Stadt ist vor meinen Augen wieder zum Leben erweckt worden. Ich kann Ihnen gar nicht schreiben wie gerührt ich war, als ich das Buch durch meine Tränen hindurch las”, hat „Lotte“ damals nach Bad Driburg geschrieben.

Zum Gedenken an das Schicksal der jüdischen Driburger wurde im Jahre 2008 eine Sandsteinstele mit den Namen der Deportierten aufgestellt.  Standort ist der Platz vor dem Haus Nr. 68 (ehemaliges Haus Schiff) in der Langen Straße. Die Stele wurde vom Bildhauer Herbert Görder gestaltet und vom gemeinnützigen Verein „bürgerpunkt“ initiiert. Peter Fabian stiftete 2022 den neuen Wetterschutz für die Gedenkkerze in der Stele.

Karl Brinkmöller hat sich als Zeitzeuge fast sein ganzes Leben dafür eingesetzt, dass das Andenken an die jüdischen Bürger bewahrt wird. „Sie lebten unter uns. Sie sollten nicht vergessen werden“, äußerte der im Februar 2017 verstorbene Karl Brinkmöller.

“She was very active, alert and mentally sharp until the end of her life”

Daniel Schwarz (Enkel)

Einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass im November 2022 Kontakt zum Enkel von Charlotte „Lotte“ Summers hergestellt werden konnte. Ihr Enkel Daniel Schwarz lebt in Maryland und berichtete über seine Großmutter, dass sie sehr aktiv, rüstig und geistig fit war. „She was very active, alert and mentally sharp until the end of her life.“

Im vergangenen Jahr fanden zwei beeindruckende Ausstellungen zum jüdischen Leben in Bad Driburg statt. Die Wanderausstellungen der Arolsen Archives „Stolen Memories“ im August und „#LastSeen“ im November präsentierten bemerkenswerte Exponate. Viele Bad Driburger und Gäste zeigten ihr Interesse. In Bad Driburg koordinierte eine Projektgruppe die Vorhaben. Zu den Initiatoren gehörten Andreas Amstutz und Burkhard Nickel sowie Karin Rosemann als Stadtheimatpflegerin, Renate Mügge und Dr. Udo Stroop vom Heimatverein und Peter Fabian. Auch die Volkshochschule mit ihrer Leiterin Janine Brigant-Loke unterstützte die Vorhaben. Außerdem stellten Schüler des Gymnasiums St. Xaver beeindruckende Exponate zum Thema „Der Nationalsozialismus-Tragik des Terrors“ im Rathaus aus.

Seit 1996 ist der 27. Januar ein bundesweiter Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Er bezieht sich auf den 27.01.1945, dem Tag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau durch die Rote Armee.

Volkszählung USA 1950
Friedhof Chevra Ahavas Chesed Cementery in Randallstown Maryland
Grabstelle von Charlotte und Henry Summers
Titelbild: die 18 jährige “Lotte”