Trotz Job auf Hartz IV angewiesen – 832 Aufstocker im Kreis

NGG: Armut durch höhere Löhne und Kindergrundsicherung bekämpfen

Bad Driburg. Wer eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle hat und nach Tarif bezahlt wird, hat die größere Chance, mit diesem Lohn seine Existenz zu sichern. Wer nur einen „Job“ oder Minijob hat und Arbeitslosengeld bezieht, aber damit nicht seinen Lebensunterhalt oder den der Familie bestreiten kann, hat die Möglichkeit aufzustocken, also Arbeitslosengeld II zu beziehen.

Thorsten Kleile

Regionalchef Thorsten Kleile von der Gewerkschaft NGG (Nahrung, Genuss, Gaststätten) informiert in einer Pressemitteilung darüber, dass im Kreis Höxter aktuell 832 Menschen auf ergänzende Sozialleistungen angewiesen sind. 349 der „Aufstocker“ haben Kinder im Haushalt, 147 Haushalte werden von Alleinerziehenden geführt, davon sind 92 Prozent Frauen.

Thorsten Kleile spricht von „alarmierenden Zahlen“. Es seien zu viele Menschen, die trotz Arbeit zum Jobcenter gehen müssten. „Besorgniserregend ist vor allem der hohe Anteil von Kindern, die unter Armutsbedingungen aufwachsen.Wer an der Bäckertheke oder im Restaurant arbeitet und dabei nur einen Mini- oder Teilzeitjob hat, für den wird es am Monatsende sehr eng.“ Lohnerhöhungen im Gastgewerbe NRWs gelten für Tarifverträge, an die sich alle Unternehmen halten sollten. „Die von der Bundesregierung geplante Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde ist ein wichtiger erster Schritt, um Niedriglöhne auf dem ganzen Arbeitsmarkt einzudämmen.“ Es komme aber auch darauf an, dass Arbeitgeber mehr sozialversicherungspflichtige Stellen anböten statt unsichere Jobs mit nur wenigen Wochenstunden, wie sie für Aufstockende die Regel seien.

Die von der Ampel-Koalition angekündigte Kindergrundsicherung sei ein „richtiger Schritt“, um das Armutsrisiko für Kinder zu minimieren. Die Bedarfssätze für Heranwachsende müssten steigen. Das von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) versprochene Gesetz dazu müsse nun rasch auf den Weg gebracht werden. Das Hartz-IV-System müsse reformiert werden. Thorsten Kleile begrüßt die Pläne der Bundesregierung, Hartz IV durch ein sogenanntes Bürgergeld zu ersetzen. Die bisherigen Sanktionen müssten auch laut dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes auf den Prüfstand.

„Der aktuelle Regelsatz für Alleinerziehende von 449 Euro im Monat ist viel zu niedrig. Für Lebensmittel sind gerade einmal 155 Euro vorgesehen – bei stark steigenden Preisen. Zu Jahresbeginn sind die Sätze nur minimal erhöht worden. So gibt es für Kinder bis 13 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft gerade einmal zwei Euro mehr“, erklärt Thorsten Kleile. Da Hartz IV der Inflation schon lange hinterherhinke, komme die aktuelle Erhöhung von 0,76 Prozent einer Kürzung gleich. Mit einem menschenwürdigen Existenzminimum habe das nichts zu tun.

Aber auch die Unternehmen seien in der Verantwortung. „Sie müssen armutsfeste, tariflich abgesicherte Jobs bieten, damit niemand überhaupt erst aufstocken muss.“ Faire Löhne und attraktive Arbeitsbedingungen seien zugleich der beste Schutz vor dem Fachkräftemangel in vielen Branchen.