Wenn die Zeitreise für immer anhält

Letzte Abschiedsfahrt der Modellbundesbahn in Brakel

Alexander Bieseke

Bad Driburg/Brakel. Wehmütig und mit schwerem Herzen nimmt die Modellbundesbahn Abschied. Was für viele Besucherinnen und Besucher ein Ort des Staunens, der Erinnerung und des stillen Glücks war, nähert sich seinem letzten Halt.

Am 29. Mai 2026 wird die Miniaturwelt ein letztes Mal erwachen – danach verstummen die Geräusche der Dampfloks, das Licht der Tag-und-Nachtsimulation erlischt für immer.

Seit ihrer Eröffnung im Oktober 2005 im Bad Driburger Güterschuppen war die Modellbundesbahn weit mehr als eine Ausstellung. Sie war ein gelebter Traum, geboren aus der Sehnsucht, die große Zeit der Dampflok noch einmal spürbar zu machen. In liebevoller Handarbeit erschaffen, erzählte jede Szene von Leidenschaft, Geduld und einem tiefen Respekt vor der Eisenbahngeschichte. Über 300.000 Menschen sind hier auf Zeitreise gegangen, haben innegehalten, gestaunt – und Erinnerungen geschaffen, die bleiben.

Mehr als 40.000 Tage und Nächte zogen im Maßstab 1:87 vorüber. Sonnenaufgänge, Dämmerungen, nächtliche Bahnhöfe – all das wurde zu einem stillen Rhythmus, der Besucher berührte und Generationen verband.

Spätestens mit dem Umzug nach Brakel und der Erweiterung auf 675 Quadratmeter wuchs die Anlage zu einer kleinen Welt, in der Vergangenheit lebendig blieb. Der Teutoburger Wald setzte 2022 noch einmal einen letzten großen Akzent – als hätte die Anlage selbst geahnt, dass die Zeit begrenzt ist.
Die Fachwelt sprach von Perfektion, Medien von Einzigartigkeit, Millionen sahen die Bilder im Fernsehen und im Internet. Doch all diese Auszeichnungen verblassen gegenüber dem, was die Modellbundesbahn wirklich ausmachte: leuchtende Kinderaugen, stille Momente des Wiedererkennens, Erwachsene, die plötzlich wieder dort standen, wo sie als Kinder Züge beobachteten.

Nun naht der Abschied. Die Öffnungszeiten wurden ein letztes Mal angepasst, um möglichst vielen Menschen diese letzte Reise zu ermöglichen: ab dem 26. Dezember 2025, Donnerstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr, bis zum finalen Betriebstag am 29. Mai 2026. Es sind die letzten Gelegenheiten, noch einmal stehen zu bleiben, zu schauen, zu fühlen.
Wenn die Modellbundesbahn schließlich ihre Tore schließt, endet nicht nur ein Kapitel Modellbahngeschichte. Es bleibt ein leiser Nachhall aus Dampf, Licht und Erinnerung – und die Gewissheit, dass manche Orte nie wirklich verschwinden, solange sie im Herzen weiterfahren.

Titelbild: Modellbundesbahn


Ein Kommentar

Alexander Bieseke

Zwischen Abschied und Aufbruch: Eine verpasste Weichenstellung

War es wirklich eine gute Idee, die Modellbundesbahn damals nach Brakel ziehen zu lassen?


Ja, der Platz am alten Güterschuppen war zu klein geworden. Ja, Veränderung war notwendig. Doch Veränderung bedeutet nicht zwangsläufig Aufbruch – manchmal ist sie auch eine verpasste Chance.

Man stelle sich vor, man hätte den Mut gehabt, größer zu denken. Das ehemalige Industriegebäude der Firma Glas Koch in Driburgs unteren Langen Straße: ehrlicher Industriecharme, Geschichte in den Mauern, Raum in die Höhe statt in die Breite. Ein Lastenaufzug, mehrere Etagen, eine Miniaturwelt mit urbanem Puls – keine Kopie der Hamburger Speicherstadt, aber ein eigenständiges, selbstbewusstes Pendant im kleineren Maßstab.

Modelleisenbahn nicht am Rand, sondern mitten im Herzen der Stadt.
Der Standort hätte kaum besser sein können: Rund 500 Meter vom Bahnhaltepunkt Bad Driburg entfernt, fußläufig, selbstverständlich erreichbar. Ein Ort, der Ankunft und Aufenthalt verbindet – statt Ziel und Weg voneinander zu trennen.
Bad Driburg hätte gewonnen.
Das ehrwürdige Café Heyse hätte weiterhin täglich mit Gästen aus der Region rechnen können. Der Einzelhandel hätte von echter Laufkundschaft profitiert, nicht nur an besonderen Tagen. Reha-Gäste hätten einen barrierefreien Ort der Ablenkung gefunden – einen niedrigschwelligen Anlaufpunkt zur Zerstreuung vom Klinikalltag, mitten in der Stadt, nicht abseits im Industriegebiet.
Dabei hätte sich Geschichte mit Gegenwart verbunden:

Quelle: Leonardo

1859 gründete der erst 19-jährige Benedict Koch in Bad Driburg die Firma B. Koch jr. und baute von hier aus einen Glashandel auf, der von Amsterdam bis Königsberg reichte. Das Stammhaus existiert bis heute, beherbergt inzwischen die Manifattura LEONARDO – ein sichtbares Zeichen dafür, dass industrielle Vergangenheit und zeitgemäße Nutzung kein Widerspruch sein müssen.

Und oben auf der Iburg?

Die Iburg wäre kein Ort, der um 18 Uhr schließt und eine Absperrkette vor einen öffentlichen Aussichtspunkt zieht.
Dass einer der schönsten Blicke über die Stadt am frühen Abend faktisch unzugänglich gemacht wird, ist kein Organisationsproblem und kein Sicherheitskonzept – es ist ein ehrliches und weiteres Armutszeugnis für unsere Stadt.

Die Sachsenklause hätte ihr Konzept nicht nur zeitlich ausdehnen, sondern auch inhaltlich erweitern können. Anstatt sich strikt am Tagesbetrieb zu orientieren, hätten Lounge-Möbel im Außenbereich, dezente Beleuchtung und eine bewusstere Atmosphäre schon innerhalb der bestehenden Öffnungszeiten Raum für Begegnung geschaffen. Ein Longdrink in der Hand, Gespräche unter Lampions, kleine musikalische oder kulturelle Akzente – nicht nur länger, sondern auch lebendiger.

Auch die Gäste des gräflichen Resorts wären Teil dieses Gefüges geworden. Nicht abgeschottet, sondern eingebunden. Modelleisenbahn funktioniert immer – unabhängig von Herkunft, Geldbeutel oder Alter. Sie verbindet. Still, aber nachhaltig.
Hamburg lässt grüßen. Nicht als Maßstab, sondern als Haltung: Dinge zusammen denken, statt sie zu trennen. Stadtentwicklung als Netz – nicht als Aneinanderreihung isolierter Entscheidungen.

Und nun?

Nun stehen wir vor dem Abschied. Eine Institution schließt, und mit ihr verschwindet nicht nur eine Ausstellung, sondern auch eine Vision davon, was möglich gewesen wäre.
Wo bleibt der Aufbruch in unserer Stadt?
Wo bleibt der Mut, Chancen zu erkennen, solange sie noch da sind?
Denn die ehrlichste aller Fragen bleibt:

Wenn nicht jetzt – wann dann?

“Guten Rutsch!”

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