Die Heimat immer wieder neu malerisch und lyrisch entdecken

Nicole Drude

Bad Driburg. Das Atelier ist für eine Künstlerin ein Kokon, zuweilen kann es jedoch zu eng werden. An diesem Punkt hat es mich 2023 hinausgezogen in die Umgebung meiner Heimatstadt, um in einer freien, spielerischen Technik die vorgefundenen Motive vor Ort zu gestalten. Das menschliche Antlitz ist der Ausgangspunkt meines Schaffens, es immer wieder anzulegen und zu formen, ist meine Methode. Dazu bediene ich mich einer speziellen Schütttechnik. Diese wurde bereits 2015 in Tokio prämiert.  Versuche mit nacherzählenden Aquarellen nach Fotos aus meinen Lieblingsmagazinen stellte ich im Jahr 2023 im Café des historischen Rathauses in Dringenberg aus, der Fotografie verbunden, seit ich nach dem Abitur für das Westfalen-Blatt fotografierte. Und jetzt führte mich mein künstlerischer Weg hin zur klassischen Plein-Air-Malerei direkt vor dem Motiv. ,,Urban Sketching“ nennt sich diese der Fotografie verwandte Methode. Das wunderbare Rapsfeld auf der Egge, die prächtigen Tulpenbeeten der jährlichen Tulpenshow, die Brunnenarkaden und das Hölderlinhaus mit den angrenzenden Blumenrabatten voller Kaiserkronen, Stiefmütterchen und Tulpen, hatten es mir angetan.  Der Piet Oudolf Garten und der Stadtpark wurden ,,gesketcht“, gezirkelte Kreise erwiesen sich als ideale Darstellungsform der Zierlauchwiese. Der Monopterus im angrenzenden Rosengarten wollte dargestellt werden. Der für das Stadtbild so prägende LEONARDO-Brunnen und spielende Kinder an der Mühlenpforte wurden eingefangen. In einem Privatgarten in der Südstadt entstand das Mädchenportrait in einer Blumenwiese. Zur Eröffnung des Adventsmarktes 2023 wurde ein Laternenumzug veranstaltet und an der Kirche St. Peter und Paul gab es sogenannte ,,Plünderbäume“, die einluden. Eine gemalte Kulisse mit Engelsflügeln sollte die Besuchenden zu einem Foto beflügeln. Zur Eröffnung des Adventsmarktes 2024, es fand wieder ein Laternenumzug Am Alten Markt statt, setzte ich das Bild, das sich von der Szenerie des Vorjahres in meiner Vorstellung entwickelt hatte, diesmal im großen Format im Atelier um. 

Oft konnte man mich sicherlich auch im Gräflichen Park auf einem kleinen mitgebrachten Hocker vor einer Szenerie sitzen sehen, diesmal jedoch nicht mit einem Pinsel und Farben, sondern mit Notizbuch und Schreibgerät. Ist doch meine zweite künstlerische Tätigkeit das Verfassen von Gedichten zu meiner unmittelbaren Umgebung. Diese ,,Poesie im Park“ umfasst seit etwa 2008 circa 50 Texte, die aus dieser Quelle der Inspiration geflossen sind, zu der ich auf den Spuren von Annette von Droste-Hülshoff oder Friedrich Hölderlin gepilgert bin.  So schöne Kindheitserinnerungen verbinden mich mit diesem Englischen Landschaftsgarten. Beide Herzensprojekte haben jetzt eine besondere Würdigung erfahren. So wurde mir für Poesie und Urban Sketching im Dezember 2024 einer der drei vergebenen Heimatpreise der Stadt Bad Driburg zugesprochen; eine Ehrung, die mir sehr viel bedeutet. Im Mai 2025 durfte ich als Gast des Rumpelstilzchen-Literaturprojektes im Rahmen des Jubiläums ,,1250 Jahre Westfalen“ bei einer Lesung zum Thema ,,Zeitgrenzen aufbrechen“ auf den Spuren der westfälischen Heimatdichterinnen und –dichter im Friedrich-Wilhelm Weber Haus in Alhausen teilnehmen. Diese fand statt im Rahmen des Literaturfestivals ,,aufbrüche“ des Literaturlandes Westfalen unter der Schirmherrschaft von Frank-Walter Steinmeier. Die Texte sind auch in der gleichnamigen Anthologie veröffentlicht worden.  

Meine gemalten Portraits der großen Dichterin Annette von Droste-Hülshoff bereits aus 2014 und 2016 und auch ein eigenes Gedicht sind in diesem Jahr Bestandteil der Ausstellung ,,Das Wispern der Hecken“, im Kunstverein Schieder-Schwalenberg in der Galerie Haus Bachrach. Das Gedicht war zuvor bereits im Jahrbuch der Lyrik des Schöffling Verlages 2022 veröffentlicht worden. Als Dankeschön für den Heimatpreis durfte ich meine Serien zu meiner Heimatstadt im Juni und Juli 2025 im Rathaus Bad Driburg ausstellen, eine sehr schöne Erfahrung, die rund 60 Blättern in einer Ausstellung zu erleben. Der Titel der Ausstellung war ,,Heimatliebe – Bad Driburg skizziert. Vielen scheint die Ausstellung gefallen zu haben und dafür bedanke ich mich sehr. Künstlerische Prozesse spielen sich subtil ab und manifestieren sich dann spontan malerisch auf dem Blatt. Mein konzeptueller Malstil der Portraitmalerei im Atelier hat durch dieses ganz andere Sujet eine neue Bereicherung erfahren, ist noch freier, noch aufgelöster geworden.  Über eine Art vergröberter Siebdrucktechnik entstanden völlig neue Ausdrucksweisen, kontrovers diskutiert von meinem Hamburger Kollegenkreis. Die Portraits wurden darüber hinaus, so sagte im Dezember 2024 ein Besucher der Ausstellung ,,Point of no Return“ im Robert Koepke Haus wiederum in Schwalenberg, immer,,radikaler“ in ihrer Auflösung. Sie wurden in der großen Überblicksausstellung ,,Hier und Jetzt“ mit Kunst aus der Region Westfalen im Gustav-Lübcke-Museum in Hamm 2024/2025, ein Meilenschritt. 

Dadurch wurde eine Basis geschaffen, auf der ich meinen Stil erweitern und auf ein ganz neues Niveau heben konnte. Und das Alles durch eine Beschäftigung mit dem ganz Naheliegenden, dem was uns vor unserer Haustür unmittelbar begegnet. Es ist das genaue Anschauen, des schon oft zuvor Gesehenen, was die Inspiration ausmacht. Das neu sehen. Das persönlich sehen. Heimat ist nicht das, was wir kennen, sondern das, was wir immer wieder neu kennenlernen dürfen. Die Werke zu Bad Driburg und dem Gräflichen Park werden für mich immer etwas Besonderes sein. Der Heimatpreis der Stadt Bad Driburg hat mich sehr unterstützt und mir Auftrieb gegeben; auch die Presse hat meine Arbeit wohlwollend aufgenommen. Künstlerische Arbeit in Bad Driburg im Kreis Höxter bedeutet, ein Standbein in einer kulturell höchst reichhaltigen Region zu haben, die es immer wieder neu zu entdecken gilt. Es war mir ein Anliegen, jetzt noch einmal in schriftlicher Form Interessierte am Entstehungsprozess meiner künstlerischen Arbeit teilhaben zu lassen.

Michael Hellwig (Hrsg.): Zeitgrenzen aufbrechen. Literatur im Dialog mit Literatur. Veröffentlicht im Rumpelstilzchen-Literaturprojekt Enger 2025

Piet Oudolf Garten Gräflicher Park Bad Driburg (30.08.2015)

Nicole Drude

Breites Band, das amethyst-

geschmückt mäandert

lila blau ins Grün

gesetzt Hügel aus

Gras von unten durch 

den Grund getrieben

weicher als Moos

durchfeuchtet von

Mulden in denen

Wasser wächst

Blüten aufgesteckt an Spießen

Hüte aus Sonnenstrahlen 

gewirkt

Fiederborsten, lichtes Gras

Krallenspinnen der Prärie

Schleier aus Flieder vom Meer

Tradeskantia verknotet sich

im Wald aus Halmen

vor den Dickblattgewächsen

skulpturale Skyline

der violetten Landschaft

atmet Sanftmut aus

Kalksteinwürfel als Parkett

die rau an den Sandalen schleifen

Kies der in der Wärme knirscht

schwarze Katze nascht 

im Beet mit weißer Pfote

von der Minze, die

sie angezogen hat

Gemälde von Nicole Drude