Elisabeth Affani
Bad Driburg. In unserem Staat ist alles geregelt, von der Wiege bis zur Bahre. Kaum ist die junge Mutter aus dem Kreißsaal heraus, bekommt sie ein Untersuchungsheft in die Hand gedrückt und begibt sich auf die Suche nach einer Kinderärztin oder einem Kinderarzt. Sie will nur das Beste für ihr Kind, sie möchte nichts versäumen und verlässt sich darauf, dass unser Gesundheitswesen ihr zur Seite steht.
Die Erstuntersuchung hat bereits kurz nach der Geburt stattgefunden. Alles wird dokumentiert, Größe, Gewicht, Auffälligkeiten, Befunde. Ein Impfbuch kommt dazu.
Hier ruft niemand nach „Bürokratieabbau“.
Nun aber druckt das Rotary Magazin in seiner März-Ausgabe einen Beitrag ab mit dem Titel: „Polio-Viren tauchen auch bei uns wieder auf“. Noch vor einigen Jahren verkündete die weltweit aktive Service-Organisation, dass die Polio-Kampagne „End Polio Now“ erfolgreich verlaufen ist und nur noch vereinzelt Infektionen in Ländern wie Afghanistan oder Pakistan nachgewiesen wurden. Unendlich viel Zeit und Geld wurden investiert, mit Unterstützung auch der Bill-Gates-Stiftung und der WHO, mit Deckelsammeln und anderen Aktionen.
Nun sieht sich Rotary gezwungen, die Kampagne wieder lauter werden zu lassen. In neun deutschen Großstädten wurden Polio-Viren im Abwasser entdeckt. Es handelt sich offensichtlich um Reste von Schluckimpfungen mit dem abgeschwächten Lebendimpfstoff. Wir baden eher nicht im Abwasser. Dennoch sollten wir achtsam sein. Im Gefolge der Corona-Pandemie scheinen zu viele Menschen impfmüde geworden zu sein.
Nur 21 Prozent der unter Einjährigen in Deutschland sind dreimal geimpft, bei den Zweijährigen sind es noch rund 77 Prozent. Selbst im Kriegsland Gaza, in dem auch Rotary Impfaktionen in Gang setzte, sind 96 Prozent der unter Sechsjährigen vollständig geimpft.
„Kinderlähmung ist grausam, Schluckimpfung ist süß!“ hieß die deutsche Kampagne bis 1998. In diesem Jahr wurde die seit 1957 erteilte Massenschluckimpfung eingestellt. Sie wurde ersetzt durch eine Impfung mit einem Totimpfstoff. Die Viren können sich nicht mehr verbreiten. Die Impfung führt nach wie vor zur Bildung von Antikörpern. Unser Immunsystem reagiert und baut den notwendigen Schutz auf.
Seit 2006 gilt Europa als Polio-frei. Die Weltgesundheitsorganisation WHO war zuversichtlich, dass der Erreger auf dem gesamten Globus ausgerottet würde. Doch auch in London, Warschau und Barcelona entdeckte man Viren im Abwasser.
Ein Blick ins Impfbuch unserer Kinder ist zu empfehlen. Die Ständige Impfkommission StIKO empfiehlt eine Auffrischimpfung im Alter von 9 bis 16 Jahren. Wer sich auf eine größere Reise vorbereitet, sollte sich über mögliche Infektionsrisiken informieren.
Kinderlähmung ist nicht heilbar.