Schöpfrecht der Bevölkerung nicht nachweisbar
Elisabeth Affani
Bad Driburg. Unser erhabener Dichterfürst Johann Wolfgang Goethe lässt seinen Dr. Faust darüber jammern, dass er die Freude am Leben verloren hat.
„Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor!“
klagt der Jurist, der neben Philosophie und Medizin „leider auch Theologie“ studierte.
„Bilde mir nicht ein, was Rechts zu wissen, / Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, / Die Menschen zu bessern und zu bekehren.“
Während Goethes Faust wissen wollte, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, wollte Bad Driburg im Blick nur wissen, ob nun die Bad Driburger Bürgerinnen und Bürger ein Recht haben, weiterhin fast kostenlos Wasser bei den Bad Driburger Naturparkquellen zu schöpfen.
Die Liegenschaftsabteilung der Unternehmensgruppe Graf von Oeynhausen-Sierstorpff (UGOS) hatte im November der Stadt mitgeteilt, dass es „aufgrund von anstehenden Zertifizierungsprozessen in Verbindung mit zu beachtenden Hygienevorschriften bei den Bad Driburger Naturparkquellen konkrete Überlegungen gibt, die dreimal die Woche stattfindende Wasserausgabe in der Gräfin-Margarete-Allee zu schließen“.
Damit wurde eine Diskussion über Wasser- und Gewohnheitsrechte eröffnet, die auch in dem Antwortschreiben Tamara Fleischers von der Pressestelle der Stadtverwaltung nicht vollumfänglich geklärt wird.
Tatsache ist: Alle Recherchen im Stadtarchiv und in Grundbüchern und die Suche also nach Urkunden und Verträgen blieben ergebnislos. Historisch scheint gesichert zu sein: Als 1850 das damalige Erbzinsverhältnis des Bades durch die preußische Verfassung aufgehoben wurde, fiel auch das Recht auf freies Schöpfen des Brunnenwassers weg.
Wenn die Bad Driburger Bürgerinnen und Bürger ihren „Haustrunk“ gegen eine Wassermarke oder in neuester Zeit gegen eine geringe Gebühr schöpfen durften, scheint dies eine freiwillige Leistung des Unternehmens gewesen zu sein.
In einem Urteil des Landgerichts Paderborn aus dem Jahr 1901 heißt es, dass „der Familie Sierstorpff bestätigt wurde, dass die Driburger Bürger kein Recht besaßen, an der Caspar-Heinrich-Quelle kostenlos Wasser zu schöpfen“. Die rechtliche Relevanz für das Jahr 2024 ist damit aber nicht hergestellt, da dieser Passus laut Pressestelle der Stadt „mit dem jetzt in Frage gestellten Verfahren der Wasserausgabe gegen eine geringe Gebühr nicht unbedingt im direkten Zusammenhang stehen muss“.
Privat geäußerte mündliche Hinweise haben keine rechtliche Relevanz. Daher heißt es in dem Schreiben der Stadt an Bad Driburg im Blick:
„Abschließend bleibt festzuhalten, dass derzeit keine eindeutige Aussage zu einem Recht der Bad Driburger Bevölkerung auf die Wasserausgabe in der Gräfin-Margarete-Allee getroffen werden kann. Die Existenz eines verbrieften Rechtes konnte nicht nachgewiesen werden.“
Die Stadt hofft immer noch, dass UGOS selbst in den Grundbüchern nach einem Recht sucht und es findet, „da dieses nicht unbedingt auf dem jetzigen Grundstück der Wasserausgabe gesichert sein könnte“.
Wenn die Bürgerinnen und Bürger der Ansicht sind, dass sie ein Recht haben und es einklagen können, liegt die Beweislast allerdings bei ihnen. Nach wie vor gibt es auch in der modernen Rechtsprechung das Gewohnheitsrecht. Ob es greift, dürfen Juristen klären.
Titelbild bearb.: Alte tönerne Krüge und neuer gläserner Caspar-Krug. Caspar-Marken an den Henkeln.
Die Behauptung: “Historisch scheint gesichert zu sein: Als 1850 das damalige Erbzinsverhältnis des Bades durch die preußische Verfassung aufgehoben wurde, fiel auch das Recht auf freies Schöpfen des Brunnenwassers weg”, ist ohne Zweifel falsch. Der Autor Simon in der Bad Driburger Stadtgeschichte, der diese Behauptung erstmals veröffentlicht hat, und bei dem alle späteren Autoren abgeschrieben haben, war sicher kein Jurist. Denn sonst hätte er auch den § 5 des Ausführungsgesetzes zur preuß. Verfassung vom 02.03.1850 zur Kenntnis genommen, wonach mit Aufhebung des “Obereigentums” des Erbzinsherrn nicht zugleich die Berechtigungen auf Nutzungen erlöschen!
Demzufolge wurde noch mit Schreiben vom 27.07.1859 durch die preuß. Bezirksregierung in Minden das Recht der Driburger Bürger, das Wasser aus dem Brunnen verlangen zu können, zugesichert!
Im übrigen wurde dieses aus unvordenklicher Zeit stammende Recht sowohl in der Erbzinsurkunde des Fürstbischofs von 1782 und in der Novellierung durch die preuß. Regierung von 1828 nicht etwa begründet, sondern ausdrücklich bestätigt! Es konnte durch Aufhebung des Erbzinsverhältnisses also gar nicht erlöschen.
Derartige Rechte aus unvordenklicher Zeit bestehen auch heute noch. Schließlich sind die wenigsten Besitzstände aus der Zeit vor 1800 beurkundet bzw. sind Urkunden noch vorhanden, und doch zweifelt niemand an deren Bestand. Katasterliche und grundbuchliche Feststellungen gibt es in Westfalen erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts und zunächst für Grundsteuerzwecke.
Es unterliegt also gar keinem Zweifel, dass die Driburger Bürger ein von alters her noch bestehendes freies Zugangsrecht zur Hauptquelle haben um dort Wasser zu beziehen, wie sie dies schon zu fürstbischöflichen Zeiten ungehindert seit mindestens dem 16. Jahrhundert getan haben. Das ist beweisbar durch zahlreiche schriftliche Darstellungen.
Die Hauptquelle ist aber die in den Brunnenarkaden.
Offenbar hat man mit der Verlegung der Abfüllung in die obere Allee um 1900 die Bürger dorthin verwiesen. Das Grundstück hatte Caspar Heinrich erst 1833 erworben. An der dort befindlichen Caspar-Heinrich-Quelle, die erst 1889 für den Vertrieb nutzbar gemacht wurde, besteht aber kein Schöpfrecht. Dies wurde in einem Prozess der Stadt gegen den Grafen im Jahre 1901 festgestellt, in dem sich die Stadt offenbar auf Gewohnheitsrecht berufen hatte, aber den jahrzehntelangen Gebrauch der Quelle durch die Bürger nicht beweisen konnte.
Anders bei der Hauptquelle!
Es ist also Sache der Stadt, das althergebrachte Recht der Bad Driburger Bürger -wieder einmal- gegen die immer mal wieder aufkommenden Behinderungen durch den Badeigentümers zur Not auch gerichtlich durchzusetzen!
Insbesondere, nachdem sich Herr Graf von Oeynhausen – Sierstorpff nicht zu schade ist, sich von der Stadt für einen Verzicht auf ein nicht vorhandenes Recht knapp 1 Mio. Euro zahlen zu lassen!