“geh und verkünde”
Doris Dietrich
Bad Driburg. Am Mittwoch, dem 3. Mai fand in der katholischen Kirche „Zum verklärten Christus“ ein besonderer Gottesdienst statt. Gabi Lüttig als geistliche Begleiterin der Kirchen-Gemeinde lud zum Wortgottesdienst rund um den Tag der Apostelin Junia ein.
Bereits zum vierten Mal wird vom Bundesverband der „Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands“ (kfd) um den 17. Mai, dem Gedenktag an Junia, der bundesdeutsche Predigerinnentag organisiert. So predigen Frauen auch im Diözesanverband Paderborn, obwohl Predigen in der katholischen Kirche eigentlich Männern vorbehalten ist.
Es sind neben Gabi Lüttig auch Mechthild Wohter, Karin Boye Toledo, Maria Hagenschneider und Elisabeth Kläsener in diesem Rahmen aktiv. Mit ihren Predigten setzen sie sich für die Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche ein. Sie folgen dem Aufruf „geh und verkünde“.
Zum engagierten Organisationsteam in Bad Driburg gehörten neben Gabi Lüttig auch Beatrix Hesse und Ursula Middeke. Herzlich empfing sie in der Kirche die etwa 60 Besucherinnen und Besucher mit einer Rose. Der Spruch „Auch ich bin Junia!“ schmückte jede Rose. Diese Geste der Wertschätzung nahmen alle mit Freude an.
Schon vor dem offiziellen Beginn wurden die Besucher um eine erste Einstimmung gebeten. Alle sangen gemeinsam das Lied „Junia“ und wurden von Melanie Humborg auf der Gitarre begleitet. Dieses Lied nahm dann eine zentrale Stellung im Gottesdienst ein.
Idee, Text und Musik stammen von Bea Nyga, die eine bekannte Sängerin, Musikerin und ein engagiertes kfd-Mitglied ist. Sie berichtete 2021 in einem Interview: „Mein reduzierter künstlerischer Pandemie-Alltag ist heute aufregend unterbrochen worden: Aus der kfd-Geschäftsstelle kommt die Anfrage für ein JUNIA-Lied. … Große Herausforderung, aber man wächst ja bekanntlich mit seinen Aufgaben.“
Im Refrain des Liedes heißt es:
Junia, du bist da, Jahrtausende vergessen, lange Zeit unsichtbar: wir haben dich entdeckt. Junia, offenbar: so unerwartet mutig, Junia, du bist da, Jahrtausende vergessen, lange Zeit unsichtbar: wir haben dich entdeckt.
In ihrer Predigt erinnerte Gabi Lüttig daran, dass die Zeit zur Veränderung längst reif sei. „Wir wollen ein Zeichen für Gleichberechtigung in der Kirche setzen. Man muss Wege der Erneuerung suchen.“
Die gemeinsam gesungenen Lieder wurden musikalisch durch Barbara Rieckmann (Altflöte), Monika Beckmeier-Vedder (Querflöte), Beatrix Hesse (Klarinette) und Melanie Humborg (Gitarre und Gesang) begleitet.
Nach Gebeten und Fürbitten wurde der Wortgottesdienst mit dem Junia-Gebet beendet. Darin heißt es u.a.:
„Mutig und unerschrocken trat sie auf,
taufte, lehrte und predigte,
und unter den ersten Christinnen und Christen fand ihr Wirken große Anerkennung.
Die Machthaber ihrer Zeit wollten ihre Botschaft nicht hören
und nahmen Anstoß an ihr,
sie wurde bestraft und ins Gefängnis geworfen.
Stärke alle Frauen, die wie Junia den Glauben verkünden und predigen.
Begleite uns und alle Frauen in der kfd in unserem Engagement für eine geschlechtergerechte Kirche.
Darum bitten wir auf die Fürsprache der Apostelin Junia.“
Ulrike Göken-Huismann (Geistliche Begleiterin im kfd-Bundesvorstand)
Das musikalische Quartett begleitete am Ende des Gottesdienstes die Besucherinnen und Besucher mit dem Junia-Lied auf ihrem Weg aus der Kirche.
In der 2. Strophe des Junia-Liedes heißt es:
Viel zu lange hats gedauert, doch jetzt hat sie ihren Platz: In den Herzen vieler Frauen ist sie ein besondrer Schatz. Selbstbewusst und klug und weise trat sie für Gemeinde ein, kann für Frauen unsrer Kirchen auch noch heut ein Vorbild sein.
Im Anschluss an den Gottesdienst gab es im Pfarrheim das traditionelle Frühstück. Alle Frauen freuten sich über das Beisammensein und tauschten ihre Gedanken bei einem liebevoll vorbereiteten und schmackhaften Frühstück aus. Hier war vor allem Ursula Middeke in ihrem Element und sorgte für einen reibungslosen Ablauf. Eine Besucherin äußerte ihre Zufriedenheit: „Ein rundum gelungener Vormittag mit vielen inspirierenden Gedanken und netten Menschen. Ich freue mich schon auf den nächsten Frauenwortgottesdienst, den es ja immer am ersten Mittwoch im Monat gibt.“
Hier das Lied „Junia“:
Infobox
Wie ein Krimi mutet die Geschichte der Apostelin Junia an, spannend und auch tragisch. Ihr Name taucht vor knapp 2000 Jahren in der Grußliste des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom auf. Junia wurde gemeinsam mit Andronikus genannt:
„… Grüßt Andronikus und Junia, die zu meinem Volk gehören und mit mir zusammen im Gefängnis waren; sie ragen heraus unter den Aposteln und haben sich schon vor mir zu Christus bekannt.“ (Die Bibel – Revidierte Einheitsübersetzung 2016)
Ab dem 13./14. Jahrhundert geschieht es nun: Ihrem Namen wird ein kleines „s“ angehängt. Aus der Apostelin Junia wird ein Apostel namens Junias.
Auch dieses „s“ galt nun fortan als Legitimation für die Behauptung: Die Bibel
kenne keine Frauen im Amt. Die orthodoxe Kirche verehrt Junia durchgängig als eine der 72 Jünger und Jüngerinnen (Lukas 10,1–19). So konnte auch die kritische Bibelwissenschaft ihre Spur aufnehmen.
Bereits 1978 wies die US-amerikanische römisch-katholische Theologin und Hochschullehrerin Bernadette Joan Brooten darauf hin. Sie veröffentlichte ihre bahnbrechende Studie zu Junia, die heute als einer der Meilensteine der Bibelforschung und Klassiker theologischer Frauenforschung gilt. Von 1982 bis 1985 war sie in Tübingen am Forschungsprojekt „Frau und Christentum“ am Institut für Ökumenische Forschung tätig. Es hat 38 Jahre gedauert, bis der Fehler getilgt wurde. Junia wurde vom „s“ befreit, seit 2016 ist sie wieder in der revidierten Einheitsübersetzung als Apostelin sichtbar.
Hier ein paar Hintergrundinformationen zu Junia und ihrer Zeit: