“In sechs Arbeitstagen soll alles stehen”

Besuch auf Landesgartenschaugelände lässt Vielfalt erahnen

Alexander Bieseke

Höxter/Corvey. “Der April macht, was er will!” Diese alte Bauernweisheit traf heute regelrecht zu. Die Verantwortlichen der Landesgartenschau, vorneweg Jan Sommer, haben zum Presserundgang geladen. Und einige Redaktionen waren vor Ort. Das Wetter war dankenswerterweise fast trocken. Bis auf den Schauer mit heftigen Windboen inmitten der Obstplantage und des Lavendelfelds. Beide lassen sich bei dieser Witterung und Jahreszeit eher erahnen. Umso mehr dürfte die Spannung steigen, die etlichen Blumenbeete, Kräutergärten, Obstbäume, die Themengärten der Landschaftsbauer in voller Pracht zu erleben. In diesem Jahr findet nicht nur die Bundesgartenschau in Mannheim statt, auch Landesgartenschau NRW steht auf dem Programm, wie die am 20. April eröffnende nordrhein-Westfälische Laga in Höxter. 80.000 Frühjahrsblüher erwarten die Besucher dann zur Eröffnung.

Auf den Duft der Provence im Weserbogen muss jedoch noch ein wenig gewartet werden. Der alte Hellweg, die Autobahn des Mittelalters, führt durch dieses zwei Hektar großes lila Lavendelmeer zur barocken Obstplantage und weiter bis an den Weserstrand. Entlang der üppigen Flussaue soll es dann vorbei an bunten Blühwiesen und dem prachtvollen Liliental bis zu einer 160 Meter langen Flechthecke – einem natürlichen Zaun aus Weidezweigen gehen.

Der Haupteingang der Landesgartenschau wird das Schoß Corvey sein. Mit diesem imposanten Blick zusammen mit dem Weltkulturerbe, dem Westwerk des gleichnamigen Klosters nebenan, dürfte ein abwechslungsreicher Tag in der Kreisstadt Höxter, mit seinen 32 000 Einwohnern an der Weser, beginnen. Der Remtergarten mit Apothekergarten, Küchengartenkabinett und Outdoorküche hinter dem Kloster begrüßt die Gäste.

Dieses Video auf YouTube ansehen.
Haftungsausschluss : Mit dem Abspielen des Videos greifen Sie auf Inhalte des externen Anbieters YouTube zu. Dadurch können dessen Cookies gesetzt werden. Sie stimmen dem zu.

Insgesamt über 31 Hektar verteilt sich das Gelände der diesjährigen Gartenausstellung. Auf der Fläche verteilen sich 60 Ausstellungsbeiträge, darunter allein 34 Themen- und Galeriegärten. Insgesamt verfügt das Gelände über fünf Parkteile. Dem
Wall, der Weserlandschaft, der Weserscholle, dem Weserbogen und dem Remtergarten, wie beschrieben, hinter dem Kloster Corvey.

Besonders erlebenswert ist der Archäologiepark, in der auf Spurensuche der versunkenen Stadt Corvey gegangen werden kann. Hier wird eine versunkene Stadt sichtbar gemacht. Ein kompletter mittelalterlicher Stadtgrundriss schlummert im Erdreich des Weserbogens. Die Stadt Corvey hatte zur Blütezeit 2.000 Einwohner und eine eigene Weserbrücke. Die aufstrebenden Nachbarn in Corvey wurden zur unliebsamen Konkurrenz für die Höxteraner. Einer der Gründe, warum sie die Stadt Corvey 1265 überfielen, ausplünderten und niederbrannten – gemeinsam mit Truppen des Bischofs Simon I. zu Paderborn. In der inzwischen wüst gefallenen Stadt Corvey praktizierte einst der berühmte Chirurg von der Weser – einer der ersten Augenärzte überhaupt, so die Veranstalter bei der Führung.  In Höxter trifft also Gartenschau auf Historie. In Umrissen und mit Augmented Reality erstehen Gebäude wie die große Marktkirche wieder auf, Hörspiele verdeutlichen die Geschichte des Ortes.

Für die App “LGS Höxter” erhältlich in den Appstores, ist einzige Voraussetzung ein mobiles Endgerät, entweder ein Smartphone oder ein Tablet.  Auf dem Gelände des Archäologieparks wird freies W-LAN angeboten, so Sommer. Die AR-Inhalte wiederum sind Teil der App und benötigen keine Internetverbindung, um zu funktionieren.

Diese fünf Stationen im Archäologiepark werden per App virtuell gekonnt in Szene gesetzt: Kirche, Hellweg, Brücke, Stadtbefestigung und Haus des Chirurgen. Diese sind unschwer zu erkennen, nämlich am jeweiligen Holzkubus.

Ein Stück weiter auf der Weserscholle rastet man hoch über dem breiten Flussstrom in der Sonne. Die Aussicht von der Picknickwiese lädt zum Genießen und der Wassergarten im Auwald bietet Abkühlung. An der Flanier-Promenade reichen Stufen bis hinunter ans Wasser und Treidelpfade verlaufen direkt am Ufer. Hier entsteht mit 70 Metern die längste Sitzbank NRWs.

Nur ein Katzensprung ist es bis zum Wall, der ein blühendes Band um die Altstadt bildet und im Schatten alter Bäume die Hausgartenbeispiele und die Beiträge der Friedhofsgärtner birgt. Das verwunschene Gemäuer mit seinen Türmchen und Winkeln ist gesäumt von Staudenbeeten. Ein Lesegarten – an Corveys berühmten Bibliothekar Hofmann von Fallersleben.

Mehr als 1000 Veranstaltungen auf sechs Bühnen wie Konzerte, Lesungen, Akrobatik, Poesie, Workshops und vieles mehr werden dem Publikum während der sechs Monate dauernden Ausstellung geboten. Auch ein buntes Klassenzimmer NRW, ein außerschulische Lernort mit mehr als 170 Kursen wurde integriert.

Fünf Gastronomien vom Imbissstand bis zur Großgastronomie versorgen die Besucher mit allerhand Köstlichkeiten auch aus der Region. Freuen können sich die Besucher auf die 800 quadratmetergroße Blumenhalle
mit wechselnden Ausstellungen. Auf die jüngsten Besucherinnen und Besucher warten drei neue Spielplätze. Egal ob es der Spielplatz “Welt des Mittelalters”, die  “Märchenwelt” oder das “Altes Sägewerk”
ist, alle drei versprechen Abenteuer pur.

Ein Schiffshuttle wird bei ausreichendem Wasserstand auf der Weser zwischen Höxter und Corvey pendeln. Außerdem verkehrt die Bimmelbahn, die schon während der Landesgartenschau in Bad Lippspringe zum Einsatz kam zwischen Höxter und Corvey.

An den insgesammt 179 Veranstaltungstagen vom
20. April bis zum 15. Oktober 2023 rechnen die Veranstalter mit über 400 000 Besuchern.

Fotos: Tobias Kröger