Aufwertung der Innenstadt – Abwertung der Wohnqualität?

Kritik am geplanten Aldi-Neubau: Treffen Dienstag, 20. Juli, 19.00 Uhr im Tegelhof

Bad Driburg. (bdib/rh) Noch ist von einer Vorüberlegung die Rede. Das Gelände zwischen dem Konrad-Adenauer-Ring, dem Tegelweg und der Dringenberger Straße möchte von Aldi für einen Neubau genutzt werden. Ob das Grundstück den oder die Eigentümer bereits gewechselt hat und verkauft ist, ist noch nicht bekannt.

Fortschreibung des Einzelhandels-konzeptes für die Stadt Bad Driburg

Aldis Motive für die Verlagerung können im Moment nur vermutet werden: Rewe-Innenstadt und Lidl sowie Rossmann dürfen die Attraktivität des Stadtzentrums, teilweise mit städtischen Parkplätzen, nutzen. Aldi würde einen Teil der Kunden abziehen und nicht wie in der Südenfeldmark in direkter Konkurrenz zu Rewe stehen. Parkplatzgelände könnte ausgewiesen werden. In der Südstadt ist eine Erweiterung schwierig.

Die Anwohner am Rand des betroffenen Geländes sind Eigentümer und Mieter in Privatwohnungen und Altenresidenzen wie dem „Haus Lebensform“, niedergelassene Ärzte, Physiotherapeuten, Unternehmer. Sie fürchten nun um ihre grüne Insel, vor allem aber um das Ende der relativ lärmgeschützten Nähe zum Konrad-Adenauer-Ring, der meistbefahrenen Straße der Stadt. Bisher sorgten der Lärmschutzwall und das Biotop mit einem ehemaligen, bereits beseitigten Teich für eine gute Wohnqualität, die nun in Gefahr ist. Der Wall, ein Grüngürtel entlang der vielbefahrenen Straße, schützt bisher vor dem Lärm von etwa 12.800 Kraftfahrzeugen, die täglich die Dringenberger Straße und den Ring nutzen. Diese Zahl und die starke Verkehrsbelastung nennt die städtische Webseite mit Bezug auf eine Zählung im Jahr 2015 sowie das Verkehrs- und Wegeleitkonzept Südoststadt.

Die Argumente der Kritiker sind schwerwiegend und dürften auch Bürgerinnen und Bürger bewegen, die nicht unmittelbar betroffen sind. Der Wall, Gehölze, Büsche und Grünflächen würden beseitigt für Bauflächen, Parkflächen und Zuwege, also für die berüchtigte Versiegelung.
Der Verkehr auf dem Ring würde in dem betroffenen Bereich nicht mehr wie bisher fließen, die an- und abfahrenden Kunden würden auf dem Ring für stockenden Verkehr und Stau sorgen. Wer vom Lidl aus zu Stoßzeiten versucht, nach links stadtauswärts abzubiegen, kennt eine der Schwachstellen.
Statt des Lärmschutzes würden zusätzliche Lärmquellen geschaffen. Morgens früh oder noch nachts würden der Lieferverkehr, tagsüber bis in den Abend der Kundenverkehr höhere Lärmemissionen erzeugen. Auch der Habichtshof auf der anderen Seite des Ringes könnte darunter leiden.
Die Beleuchtung des Gebäudes und Geländes würde auch das Problem der Lichtverschmutzung verstärken.
Man darf auch fragen, ob die Versorgung der Innenstadt mit Discountern nicht ausreicht.

Konrad-Adenauer-Ring (Wo jetzt Bäume stehen, könnte der neue Aldi Markt entstehen)

Natürlich ist der Verkauf eines solchen Grüngeländes in Innenstadtnähe für den Verkäufer lukrativ. Auch die Stadt kann gerade in der Nach-Corona-Zeit höhere Einnahmen etwa durch Gewerbesteuern gut gebrauchen. Neue Investoren sind immer willkommen.
Diese Signale sendet auch der Ausschuss für Wirtschaftsförderung, Stadtmarketing und -entwicklung aus, der sich am 27. Mai mit diesem Thema beschäftigte.

Die Öffentlichkeit soll beteiligt werden, aber außer einer Online-Umfrage hat die Stadt geplante Erhebungen mit Hinweis auf die Pandemie nicht vorgenommen. Die Kölner Firma GMA (Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung) entwickelt das Einzelhandelskonzept unserer Kleinstadt weiter. Passt Aldi überhaupt in dieses Konzept? Als Ziel nennt der Ausschuss die „Stabilisierung der vorhandenen Einzelhandelsstrukturen in Bad Driburg und hier insbesondere der Innenstadt“. Zählt Aldi zum Einzelhandel? Oder hat die Stadt das Einzelhandelskonzept bereits aufgegeben?


Als Argument für die Verlagerung des Discounter-Marktes musste sogar die Vermüllung des Hilgenbaches herhalten. Aber sie kann auch Gegenargument sein dafür, dass auch Probleme verlagert werden.

Das Problem Hellweg-Zentrum konnte nicht gelöst werden. Hier scheint ein neues Problemviertel geschaffen zu werden. Im Bereich östlich der Bahnlinie wurde mit Rücksicht auf den Badbetreiber, die Kuranlagen und Kurgäste nicht einmal eine Bäckerei zugelassen.

Die Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, gegen Bebauungspläne und Bauvorhaben Beschwerde einzulegen und ihre Bedenken zu äußern. Noch ist das Gelände nicht neu erschlossen. Bedenken können auch schriftlich und formlos vorgebracht werden. Im Pressebericht der NW vom 28. Mai hieß es: „Für die Stadt als Einzelhandelsstandort sei die Verlagerung eine Stärkung, war auch die einhellige Meinung der Ausschussmitglieder.“ Meinungen sind nicht unumstößlich.

Am morgigen Dienstag, 20. Juli, wollen sich Betroffene und Kritiker zunächst formlos um 19.00 Uhr auf der „Grünen Insel“ des Tegelhofs treffen.

Infobox

Im September 2020 beauftragte die Stadt Bad Driburg die GMA, Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH, Köln, mit der Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes aus dem Jahr 2010. Für die Bearbeitung der vorliegenden Untersuchung erfolgten im Oktober 2020 eine Erhebung des Einzelhandelsbestandes im Stadtgebiet sowie eine Kartierung der sonstigen zentrenprägenden Nutzungen (z. B. Dienstleistung, Gastronomie) und der Leerstände in der Bad Driburger Innenstadt durch GMA-Mitarbeiter. Darüber hinaus wurde im November und Dezember 2020 eine Online-Haushaltsbefragung sowie Recherchen zur sog. Online-Awareness der Innenstadtakteure Bad Driburgs durchgeführt.

Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes

Die Erstellung des Einzelhandelskonzeptes wurde von einen Arbeitskreis (2 Sitzungstermine) – u.a. mit Akteuren des Bad Driburger Einzelhandels, der IHK, des Dehoga, des Handelsverbandes sowie der Stadtverwaltung – begleitet. Zudem fand während der Erarbeitung des Gutachtens eine intensive Abstimmung mit der Stadt Bad Driburg statt. Sämtliche Ausgangsdaten wurden von den Mitarbeitern der GMA nach bestem Wissen erhoben, mit der gebotenen Sorgfalt aufbereitet und nach neuesten wissenschaftlichen Standards ausgewertet.

Die Untersuchung dient der Entscheidungsvorbereitung für kommunalpolitische und bauplanungsrechtliche Entscheidungen der Stadt Bad Driburg und stellt die Grundlage für eine Beschlussfassung durch die politischen Gremien dar.

➡️ Hier gelangen sie zur Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes für die Stadt Bad Driburg

Quelle: GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung mbH Köln, 10.05.2021