Die Annette-von-Droste-Hülshoff-Straße
Elisabeth Affani
Bad Driburg. In alten Zeiten, als die Handschrift noch etwas galt, stolperte niemand, der nicht berufsmäßig mit Literatur zu tun hatte, über den sperrigen Namen des Bad Driburger Badbesitzers. Man schrieb ihn einfach nicht vollständig aus, sondern wählte einen historischen Titel aus der Feudalzeit. Kurz, bündig und seit 1919 falsch.
In alten Zeiten, als man noch Formulare, etwa Überweisungsträger, manuell ausfüllen musste, schimpfte wohl manch eine Bürgerin und manch ein Bürger über einen Schul- oder Straßennamen, der aus mehreren Teilen bestand. Oft wurden zur Erleichterung wenigstens die Bindestriche weggelassen, oder man griff zu einer Abkürzung. Die FWWRS ist noch in Erinnerung.
Aber einen KA Ring gibt es in Bad Driburg nicht, und eine Weberstraße leider auch nicht.
Zu den längsten Namensungetümen gehört die Annette-von-Droste-Hülshoff-Straße.
Die Dichterin lebte von 1797 bis ins Jahr der deutschen Revolution 1848 und damit teilweise auch in der Lebenszeit Friedrich Wilhelm Webers.
„Die Droste“ könnte für die Dichterin als Bezeichnung reichen. Der lesende Arbeiter – siehe Hölderlin – müsste sich fragen: Schreibt man den Vornamen mit einem oder zwei -n-? Schreibt man den Nachnamen mit oder ohne Bindestrich und Hülshoff mit zwei -l- oder zwei -f-? Schreibt man die Straße wirklich mit vier Bindestrichen? Die BewohnerInnen dürfen allenfalls die Str. abkürzen.
Die Dichterin, in Havixbeck bei Münster geboren, wird eine nationale Größe und ist in ihrer Erhabenheit unbestritten. Aber was wir in ihren Aufzeichnungen über Driburg lesen müssen, erfreut nicht jedes Herz.
Die „große“ Dichterin reiste mit ihrer Großmutter zur Kur nach Driburg. Sie schreibt, Driburg sei dreckig und etwas heruntergekommen. Meint sie das Bad oder die Stadt? Ihr reicht das Essen nicht, angeblich knurrt ihr ständig der Magen, ihr fehlt gute Butter, und auch süßes Brot und Käse lässt sie sich von der Hinnenburg schicken. Die Kur gefällt ihr nicht. Wie Hölderlin geht sie lieber in die Natur, und sie verzichtet auf Kuranwendungen. Dabei leidet sie oft unter Kopf- und Magenschmerzen. Beim Wandern in der Driburger Natur fällt ihr ein, dass sie fromme Gedichte zum Geistlichen Jahr schreiben könnte, für jeden Tag eines. Erst einmal beschäftigt sie sich jedoch mit einem Studenten aus Göttingen, Heinrich Straube, einem laut Aussage eines Zeitgenossen „hässlichen Krapp“, der mit August von Haxthausen befreundet ist und eine Literaturzeitschrift herausgibt. Später studiert er Jura. Er ist nicht adelig und dann noch evangelisch, also kein Umgang für die Freiin. Ihre Beziehung endet aufgrund einer Intrige im Streit.
Der Bökendorfer Johann Friedrich Winckelhahne oder Winckelhan ist der Mörder, der von der Dichterin in ihrer wohl bekanntesten Erzählung „Die Judenbuche – Ein Sittengemälde aus dem gebirgichten Westfalen“ als Friedrich Mergel eine Hauptrolle erhält. Er kehrt 25 Jahre nach seiner Flucht in sein Heimatdorf zurück und soll für ein paar Münzen am Driburger Brunnen seine abenteuerliche Geschichte erzählt haben.
Annette von Droste-Hülshoff besucht oft ihre Tante, die als Stiftsdame in Neuenheerse lebt. Sie reist gern, auch an den Bodensee, wo sie sich in Meersburg niederlässt. Sie bleibt unverheiratet, weil es keinen adligen Bewerber gibt.
Anders als Hölderlin hat sie mit ihrer „Weiberschriftstellerei“ eine erhabene Stellung unter den Literaturkundigen ihrer Zeit. Sie muss mit ihrer Dichtung auch kein Geld verdienen, weil sie familiär abgesichert ist.
In Driburg hat sie keinen besonderen Eindruck hinterlassen. Heute finden wir ihren Namen am Droste-Haus im Kurpark, in der Annette-von-Droste-Hülshoff-Straße und einem 46 Kilometer langen Wanderweg. Wer noch einen 20-DM-Schein besitzt, könnte darauf ihr Porträt finden.
Etwas zum Schmunzeln: Unter dem Titel „Geschichte und Tradition im Wellnesshotel NRW“ tragen zwei der genannten Logierhäuser mit Charakter die Namen „Hölderin“ und „Sierstropff“.