Rund 80 Besucher diskutierten über das selbstbestimmte Altern
Bad Driburg. Es waren nicht nur ältere Kinobesucher, die sich einfanden, um im Bad Driburger Kino mit den Organisatoren Elina und Thomas Wirth sowie Ratsfrau Karin Rosemann (CDU) den Film über eine US-Kleinstadt zu sehen, die speziell für über 55 Jahre alte Bürger angelegt wurde. Der älteste Mitwirkende war 101 Jahre alt.
Sun City in Arizona ist eine fast steril wirkende Kunststadt, eine Seniorenkommune ohne Rathaus, Kindergärten und Schulen. Da hüpft eine fast 90-Jährige mit beginnender Alzheimererkrankung durch pieksaubere Straßen, da tanzen Frauen mit mehr oder weniger arthritischen Beschwerden in schreiendbunten Kostümen auf einer Bühne, da unterhalten sich zwei alte Männer wie nebenbei vor ihren Briefkästen über Tumor-OPs und bevorstehende Bestrahlungen.
Rüstige Rentner sammeln den spärlich vorhandenen Unrat von den Straßenbeeten, spielen Golf und Bingo, machen einen Ausflug mit der chromblitzenden Harley oder singen in einer Garage Rocksongs über die Menopause. Ein Sheriff sorgt zusätzlich für moralische Sauberkeit und fährt überwiegend im Auto grüßend durch den Ort. Ab und zu sieht der Zuschauer auch jüngere arbeitende Menschen bei der Pflege der Alten oder ihrer Räume. Betreutes Wohnen und die kostengünstige Einäscherung stehen am Ende der Alterskette.
Ab und zu tritt auch ein jüngerer Familienangehöriger auf. Falls Rasenflächen gezeigt werden, sind dauerhaft Rasensprenger in Betrieb. Die Kamera fängt auch vom Wind bewegte Palmkronen und verdorrte Kakteen in den Vorgärten ein. Mülltonnen sind in der Erde versenkt. Die barrierefreien Häuser und Wohnstuben der Bewohner wirken zumeist komfortabel und luxuriös.
Vereinzelte, zunehmende Lacher im Publikum zeigten, dass die Ironie des Films wahrgenommen wurde. Vielleicht ist auch dies die Absicht der Regisseurin Susan Gluth gewesen, die sich anschließend der Kritik der Zuschauer stellte.
Unterstützt wurde sie durch Ulrike Roxlau, Leiterin des Seniorenparks „Carpe diem“, und Andreas Heiber, Bielefelder Unternehmensberater für Pflegedienste. Der Filmemacherin und den Organisatoren wurde viel Lob gespendet, doch wurde das künstliche, vermeintlich paradiesische Leben der „Very-Senior“-Darsteller auch kritisch unter die Lupe genommen.
Grundsätzlich wurde der Inhalt des Films als sehr weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der Bad Driburger empfunden, die in ihrer Familie oder in den Pflegeheimen versorgt werden. „In unserer Stadt kann man gut alt werden“, lautete das Statement eines Zuhörers. Dennoch wurde die Lage vieler einsamer werdenden, allein lebenden alten Menschen in unserer Gesellschaft realistisch bewertet. Mit dem Altern realistisch umzugehen wurde als unumgänglich empfohlen. Ulrike Roxlau rief dazu auf, sich rechtzeitig und selbstbestimmt auf das Leben im Alter vorzubereiten. Selbstbestimmung sei, abhängig vom Pflegegrad, auch in einem Pflegeheim möglich. Wichtig sei, dass die alternden Bürger selbst die Initiative ergriffen.
Lobend erwähnte Ulrike Roxlau diesbezüglich die Selbsthilfegruppe „pro barrierefrei – bad driburg“.
Karin Rosemann berichtete, dass sie selbst einen Neuanfang gewagt und ein barrierefreies Heim gebaut habe. Sie lud dazu ein, ins Rathaus zu kommen und die Bemühungen der Politiker um Barrierefreiheit in der Stadt zu beurteilen.
Andreas Heiber betonte, dass unsere Städte gewachsen seien und ihre Infrastruktur Verhältnisse wie in Sun City nicht zuließen. Die Bürger sollten rechtzeitig ihre individuell bevorzugte Wohnform wählen. Auch eine Wohngemeinschaft sei denkbar.
Die Diskussion im Publikum war lebendig und offen. Susan Gluth hat das Ziel, mit ihrem Film Denkanstöße zu geben, im Bad Driburger Kino ganz offensichtlich erreicht.