Interview mit Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff

Letztens besuchte Bad Driburg im Blick Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff in Oscars Bar. Alexander Bieseke führte das Interview.

Alexander Bieseke beim Interview

Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff ist in Köln geboren, wo sein Vater berufstätig war. Der Badebetrieb war gewissermaßen dessen Nebenerwerb. Am Wochenende fuhr der Vater regelmäßig mit ihm in dessen Ford Taunus den Großvater (“Graf Rabe” – Anmerkung der Red.) besuchen und half ihm im Betrieb. Mitte der Siebzigerjahre zog die Familie von Köln ganz nach Bad Driburg, weil der Betrieb gewachsen war und der Vater, Graf Caspar ganztägig gebraucht wurde. Er selbst (Marcus) besuchte das Städtische Gymnasium.

Inhalt

Ehemaliger Stadtdirektor kündigte Verträge auf

Herr Graf von Oeynhausen-Sierstorpff, können Sie sich persönlich Bad Driburg ohne Kurpark vorstellen? Was ist an dem Gerücht dran, dass Sie daran gedacht haben, den Kurpark zu schließen, und womit begründen Sie konkret den Mehrbedarf für die Betreibung des Kurparks über die 880.000 Euro jährliche Zuwendung hinaus?

MGvOS:
Hier möchte ich ein wenig ausholen. Das Bad ist das einzige privat betriebene in Deutschland und traditionell in Familienhand über mehrere Generationen. Alle anderen, auch Bad Meinberg, sind Staats- oder kommunale Bäder und belasten entsprechend den Steuerzahler. Bad Driburg ist als ‘Staatliches Heilbad’ anerkannt worden. Durch die Kliniken, die sich hier niedergelassen haben, wurde die Stadt in die Lage versetzt, eine Kurtaxe zu erheben. Das hat damals die Kurverwaltung gemacht, also von jedem Gast eine Kurtaxe erhoben. Dann kam – das ist vor meiner Zeit gewesen -, ein pfiffiger Kurgast und sagte, es könne doch nicht sein, dass ein Privatmann, mein Vater also, eine Gebühr erhebe. Das dürfe doch nur eine offizielle, kommunale Einrichtung. Mein Vater setzte sich mit Stadtdirektor Alfons Schausten zusammen und bat ihn, als offizielle Behörde die Kurbeiträge zu erheben. Für das Erheben bot er ihm eine Aufwandsentschädigung von 5 % an. 95 % gingen also an die Kurverwaltung für die Leistungen, die das Kurbad erbrachte. Das funktionierte ein paar Jahrzehnte, bis Klaus Ehling Stadtdirektor (1995) wurde.

Etwa zu dieser Zeit kam ich hierher. Man vereinbarte ein regelmäßiges Treffen zum Austausch. Anfangs funktionierte es. “Sie machen Stadt, ich mach Bad”! Doch irgendwann sagte Ehling diese Termine ab. Ich selbst erfuhr aus der Lokalpresse (Titelseite): “Stadt kündigt alle Verträge mit Bad“. Ich wunderte mich, dass Ehling nicht Bescheid gesagt hatte, dass es Probleme gab. Man hätte darüber reden können. Es kam zum Streit, Landrat Backhaus war gerade gewählt, und der ehemalige Regierungspräsident Walter Stich wurde als Schlichter eingesetzt. Eine Schlichtungslösung wurde gefunden, dass nämlich die Stadt mehr an der Kurtaxe partizipieren solle, also wurde eine 80-20 Regelung vereinbart. Diese funktionierte wieder einige Jahre. Dann sollte eine andere vertragliche Regelung gefunden werden.

Vor 10 oder 12 Jahren wurde ein sogenannter Dienstleistungsvertrag (DLV) geschlossen. Der Begriff ist eigentlich komplett falsch. Formaljuristisch ist es egal, was oben darüber steht, man kann auch Ehevertrag darüber schreiben. Entscheidend ist, was in dem Vertrag drinsteht.

Der Dienstleistungsvertrag spezifiziert noch einmal die Leistungen, das sind ja primär Grundstücke, zahlreiche Naturheilprodukte inklusive aller Zertifizierungen sowie zahlreiche Dienstleistungen.

Beim Abschluss des Vertrages ging man davon aus, dass diese 80% ungefähr 1,7 Millionen Euro bedeuteten.
Eine Unterdeckungs- bzw. eine Untergrenze sollte eingebaut werden, und zwar die besagten 880.000 Euro.

Kostendeckung aus Kurbeiträgen wurde kontinuierlich schwieriger

Anfangs war es ein höherer Millionenbetrag, aber es wurde immer weniger, weil die Stadt die Höhe der Kurtaxe nie anpasste, sie lag immer bei 2,60 Euro, über 20 Jahre.
Ich sagte dem Bürgermeister immer wieder, er sollte an das Thema drangehen, es gab Inflation und steigende Personalkosten, höhere Energiekosten. Die alte Regelung funktionierte nicht mehr. Als Unternehmer erklärte ich dem Bürgermeister, dass ich die Löhne nicht mehr bezahlen könne. Dann bleibt mir nichts anderes übrig als das Heilbad zu schließen.

“Dann machen Sie mich zu einem ganz reichen Mann und machen die Stadt zu einer armen Stadt.”

Die Stadt würde das nächste Problem bekommen, sie würde keine Kurtaxe mehr einziehen können. Die Kliniken würden feststellen, dass die Infrastruktur nicht mehr vorgehalten werde, keine Naturheilprodukte mehr am Ort bereitgestellt werden. Also müssten sie auch keine Kurtaxe mehr bezahlen.

Der nächste Punkt, der auf die Stadt zugekommen wäre, wäre der, dass auch die Kurortehilfe weggefallen wäre. Und dann wäre im Grunde genommen ein Kollateralschaden entstanden.
Ich stand selbst mit dem Rücken an der Wand. Vor vierJahren hatte ich bereits nach einem „Rettungsring“ gerufen. Dass sich das so lange hingezogen hat, empfinde ich als „Politikum“. In der freien Wirtschaft geht so etwas ein bisschen schneller, politisch ist das schwierig.
Ein sensibles Thema.

Darüber hinaus ist anzumerken, dass es sich bei dem Dienstleistungsvertrag nicht um eine Zuwendung handelt, sondern eine Entschädigung für vorgehaltene und erbrachte Leistungen.

Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff im Gespräch

BDIB:
Werden Sie das Ergebnis der unparteiischen Wirtschaftsprüfer akzeptieren und eventuell sogar Ihre Forderungen an die Stadt zurückschrauben?

MGvOS:
Ja klar! Aber umgekehrt könnten es dann aber auch 3 Millionen sein. Alle müssen sich an das halten, was der Prüfer feststellt.

BDiB:
Werden Sie sich auf die Ausschreibung der Stadt nach europarechtlichen Vorgaben um die „Bereitstellung“ des Kurparkes bewerben?

MGvOS:
Ich halte diese Ausschreibung für einen Schildbürgerstreich. Es gibt das Thema Privateigentum, und es gibt das Thema Politik.
Privateigentum kann man nicht europaweit ausschreiben. Sie können jetzt nicht meine Grundstücke nehmen, die innerstädtisch sind, und Naturheilprodukte, Mineralwasser, Kohlensäure, Moor und verschiedene andere Sachen. Ich frage mich, wie man einen Wettbewerb erzeugen will. Man kann ja nur Entsprechendes ausschreiben. Am Paderborner Theater zum Beispiel: Hätte es dort eine europaweite Ausschreibung geben sollen? Die ist vom Tisch genommen worden, weil es sich letztendlich um Privateigentum handelte.

BDiB:
Der Bürgermeister sagte, er sei gezwungen, nach europarechtlichen Kriterien auszuschreiben.

MGvOS:
Er muss dann aber die Rahmenbedingungen für einen Wettbewerb haben. Ich habe kein Problem damit, ich gebe gern ein Angebot ab und mache es dann auf dieser Basis.

Mehr Mut bei der Kurbeitragsanpassung

BDiB:
Die Kurbeitragszahlungen wurden von der Stadt korrigiert, Ausnahmeregelungen überprüft. Welche Ausnahmen halten Sie für unverzichtbar? Was halten Sie von der Kritik der Kliniken, die nicht zu Ihrer Unternehmensgemeinschaft gehören?

MGvOS:
Die Kurtaxe ist in Bad Driburg von 2,60 auf 3,10 Euro erhöht worden. Wir liegen im oberen Drittel, das finde ich ok. Man hätte einen Tuck mutiger sein können. Der Bürgermeister hat sich seiner Fraktion auch nicht angeschlossen. Das Problem ist, dass das Thema über 20 Jahre nicht angegangen wurde. Es ist jetzt egal, ob es um eine Abwassergebühr oder Friedhofsgebühr geht, wenn man zig Jahre nichts macht und dann plötzlich doch, fallen alle vom Stuhl.

Mit manchen Kliniken vereinbarte die Stadt pauschalierte Abrechnungssysteme, auch mit den gräflichen Kliniken. Die Kliniken dokumentieren die Zahl der Patienten, danach erfolgen die Kurtaxzahlungen nach den vereinbarten Höhen. Die SPD hatte wohl schon vor Jahren festgestellt, dass einige Beherbergungsbetriebe aus der „Solidargemeinschaft“ ausgebrochen waren. Sie zahlten keine Beiträge mehr. Ein größerer Klinikbetreiber gehörte dazu, es handelte sich um eine sechsstellige Summe pro Jahr.

Die wenigsten Bad Driburger Bürger wissen, dass die UGOS (Unternehmensgruppe Oeynhausen-Sierstorpff) einer der größten Kurtaxzahler ist. Die gesamten Gräflichen Unternehmen zahlen pro Jahr ca. 40% aller Kurtaxeinnahmen an die Stadt Bad Driburg. Die Verträge über die pauschalierten Abrechnungssysteme haben eine bestimmte Laufzeit und auch eine Kündigungszeit von drei Monaten vor Jahresende. Damit begründete der Bürgermeister, dass er nichts ändern könne, weil es diese Verträge gäbe. Ich meine dagegen, er könnte es doch, weil der Entfall der Geschäftsgrundlage in dem Moment gegeben ist, wenn eine neue Kurtaxsatzung greift.

Alternativpark keine echte Konkurrenz

BDiB:
Es gibt Stimmen in der Stadt, die vorschlagen: als Alternative zum Gräflichen Park, einen eigenen Park, z.B. die von der Stadt demnächst erworbene Eggelandklinik mit ihrem großen Areal und das Aboretum zu nutzen!

MGvOS:
Ich finde das toll, es ist ein super Grundstück, wertvoll, innerstädtisch. Ich selbst habe bereits an einem großen Projekt für die Eggelandklinik gearbeitet, dachte an eine Lösung zum Fortbetrieb der Klinik, konnte die Pläne aber nicht umsetzen. Das Land war noch Eigentümer, als man fragte, ob ich kaufen möchte. Ich erklärte dem Land, dass meine Ideen aus genehmigungstechnischen Gründen nicht umsetzbar wären.

Nun kann die Stadt das Grundstück zu einem attraktiven Preis erwerben. Sie will einen Teil parzellieren und wieder veräußern und somit einen Großteil refinanzieren. Ein Streifen von 1,5 bis 3,0 ha bleibt in der Mitte übrig. Eine Grünanlage mit schönem alten Baumbestand. Ich wies den Bürgermeister auf die Kosten, auch die Erhaltungskosten hin. Wenn er dort nur die Stadtbücherei oder Musikschule unterbringt, muss er sich fragen, woher er die Einnahmen kommen sollen, um das Objekt auch dauerhaft unterhalten zu können, was nachher die große Herausforderung werden wird.

Wenn ein alternativer Kurpark entsteht, ist aber Bad Driburg nicht mehr das “Bad Driburg”. Die großen Kliniken, die alle hier am Kurpark liegen, wie Knappschaft- , Caspar-Heinrich-, oder Rosenbergklinik, bis auf die Vitalklinik sind sie dann inhaltlich auch nicht mehr so erfüllt. Es geht ja auch um die Entwicklung der Marke um das Thema Gesundheit.
Dann kriegt die Stadt ein ganz anderes Problem. Im Moment gibt es eine große Win-Win-Situation, die Stadt profitiert, sie vermarktet sich als “Gräfliches Heilbad” über die Touristik GmbH. Sie gibt der Stadt die Möglichkeit, eine Alleinstellung zu bekommen. Sie muss überlegen, wie sie die 100 Millionen Umsatz erwirtschaften und 1,2 Millionen Übernachtungs- und Tagesgäste am Standort holen und die Zahlen weiter ausbauen will. Ich will nicht bewerten, ob die Stadt es mit einem Arboretum oder Stadtpark schafft.

Lassen Sie mich ergänzen. Sie müssen es ja auch sehen, wie stellt es sich mit den anderen Heilbädern da?
Unser Wettbewerb ist ja gerade nicht Bad Meinberg, welches inzwischen als Heilbad mehr und mehr an Bedeutung verliert, da sie sich in der Kurtaxe und diversen anderen Themen nicht weiterentwickelt haben. Unsere Wettbewerber sind Bad Oeynhausen, Bad Salzuflen und Bad Pyrmont. Was kosten diese Heilbäder
den Kommunen oder den öffentlichen Trägern? Dort reden wir von tendenziell dem doppelten, wie das, was jetzt hier das Aufkommen ist an reinen Kostenstrukturen.
Ein Privatunternehmen kann anders wirtschaften als eine Kommune. Und der Vorteil kommt der Stadt eben komplett zunutze. Deshalb finde ich gut, wenn wir hier gemeinsam einen Schuh machen und gemeinsam daraus den Standort entwickeln. Und dazu muss man viel sprechen und alle möglichst mitnehmen.

Ein altes Möbel Bedarf der Pflege

BDiB:
Neue Laternen in der Gräfin-Margarethe-Allee, Aufschüttung von Schottermaterial im gesamten Rosenberggelände, Kabelverlegungen, der Abriss von Gebäuden an Tennisplätzen. Welche baulichen Veränderungen bzw. Instandsetzungen sind geplant?

MGvOS:
Das ist eben nicht nur hier so, im Rosenberg oder so, das sind ja auch viele andere Gebiete, zum Beispiel hier dieser Weg, das ist jetzt ganz woanders, [zeigt auf sein Smartphone] das ist 6 km von Bad Driburg entfernt, ein Wanderweg, hat nichts mit Kurtaxe zu tun. Diese Maßnahmen bezahle ich aus der eigenen Hand.
Laternen, das machen wir nicht nur jetzt! Das fällt nur mehr auf, weil das Thema sensibilisiert ist. Die Kabel wurden schon vor zwei Jahren gezogen Es gab viele Gastbeschwerden wegen der Dunkelheit in der Allee. Am Bahnübergang kann ich nichts machen, es gab persönliche Treffen mit der Bundesbahn im Januar.

Der Park ist wie ein altes Möbel mit wahnsinnig viel Reparaturbedarf, Instandsetzungen, kleinen Änderungen, Absenkungen, Bachläufen, einstürzenden Mauern, Stufen, Pflanzen. Dann kommt ein Sturm, dann kippt etwas bei den Tennisplätzen um, oder die Rhododendren werden zu groß … zu oft eine Tulpenschau gemacht gleich Boden übersäuert … permanente Unterhaltungsmaßnahmen eben.

BDiB:
Bündnis 90/Die Grünen fordern unter dem Motto: „Wer bezahlt, darf auch bestimmen!“, dass der vor Jahren geschlossene Zugang zum Park am Franzosengrab wieder geöffnet werden und der parallel zur Bahnlinie verlaufene Weg zukünftig wieder ohne Gebühren von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden soll. Was sagen Sie dazu?

MGvOS:
Die Schließung beim Franzosengrab vor etlichen Jahren hatte Gründe.
Extremer Vandalismus war zu beklagen. Der Park sollte Kurpark sein. Bad Pyrmont schließt seinen Park abends ab. Man darf nicht einmal mit dem Fahrrad durchschieben, sondern man muss sein Rad außerhalb des Parks abstellen.
Ich bin relativ liberal und frei, aber es ist wichtig, den Park als Park zu halten. Ich habe der Stadt ein entsprechendes Radwegenetz vorgeschlagen, auch in den umliegenden Ortschaften, um sie anzuschließen, Reelsen etwa. Nord-Süd Ausrichtung, West-Ost über die Brunnenstraße, Anschluss über Caspar-Heinrich- bzw. Alleestraße in Richtung Therme, wo der neue Kindergarten gebaut wird.

Wenn hier (im Park) alle mit dem Rad durchfahren, ist es kein Kurpark mehr. Kein extra Radweg auf meinem Grund, keine Abtrennungen, keine Zäune usw.. Wenn die Stadt sich bemühen wollte, könnte sie vom Rathaus parallel zur Bahn auf der anderen Seite in Richtung Touristik auch noch einen Weg machen. Man muss sich dann mit ein paar Eigentümern einig werden.
Was Bündnis 90/Die Grünen fordern, “Wer bezahlt darf auch mitbestimmen“ ist im Übrigen so nicht korrekt, da kein Bad Driburger Bürger etwas bezahlt, sondern lediglich die Gäste am Standort, die wir mit einer hochwertigen preisgekrönten Parkanlage und attraktivem Gesundheitsstandort anwerben und die dafür eine hohe Qualität geboten bekommen sollen.

BDiB:
Nun stellt sich noch die Parkplatzfrage in der Brunnenstraße. Der Kreis Höxter plant separate Radspuren in der Brunnenstraße. Wie sehen Sie dieses Thema?

MGvOS:
Dafür gibt es auch eine Lösung. Ein neuer Parkplatz direkt an der Brunnenstraße zwischen der Marcus Klinik und dem östlichen Eingang in den Gräflichen Park ist als Ersatz für das aktuell genutzte freie Parken auf der Brunnenstraße geplant. Somit ist die Stadt Bad Driburg mit der Brunnenstraße in der Lage, die attraktivste Straße im Kreis Höxter mit einer neuen Allee zu erhalten, auf der sogar noch 2 Radwege Platz finden.

Das Interview fand in Oscar’s Bar statt

Marcus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff, wir bedanken uns für dieses ausführliche Gespräch.